Schlimmer geht’s immer: Wo der Handelskrieg eskaliert
Ökonomische Vernunft bringt einen nicht mehr weiter. Er werfe gerade alle Studien zum Thema Zölle in den Müll, die sich auf seinem Tisch gestapelt hatten, schrieb Commerzbank-Währungsexperte Ulrich Leuchtmann am Freitag resignierend.
Trumps Politik wirtschaftlich deuten zu wollen, sei sinnlos: „Handelskrieg ist für die US-Administration ein Instrument, um anderen Staaten ihren Willen in allen möglichen Politikfeldern aufzuzwingen.“ Was kaum mehr möglich schien: Am Freitag gab es eine weitere Eskalation.
USA gegen Mexiko
Weil sein eigener Mauerbau an der Grenze nicht vorankommt, fordert US-Präsident Trump, dass Mexiko die illegale Migration stoppt. Und um dem Nachdruck zu verleihen, heben die USA ab 10. Juni Strafzölle auf Waren aus dem Nachbarland ein, die bis Oktober sukzessive von 5 auf 25 Prozent steigen sollen.
Die Finanzmarktreaktionen fielen heftig aus. Aus zwei Gründen: Die Episode demonstriert, dass Handelsdeals mit den USA das Papier nicht wert sind. Schließlich hatten Mexiko und Kanada vor wenigen Wochen das jahrzehntealte NAFTA-Abkommen neu verhandelt, weil Trump das so wollte.
Der neue Deal (USMCA) hat noch gar nicht den Kongress passiert, da ignorieren die USA schon sämtliche Vereinbarungen. Ein schlechtes Omen für die ohnehin vergifteten US-Verhandlungen mit Japan, China und der EU.
Der zweite Grund, warum Strafzölle gegen Mexiko sensibel sind: Es trifft Unternehmen aus vielen Ländern, die dort für den amerikanischen Markt produzieren. Darunter viele US-Firmen.
USA gegen China
„Handelskriege sind gut und einfach zu gewinnen“, hatte sich Trump im März 2018 siegessicher gezeigt. Das erwies sich als trügerisch. Diesen Samstag setzen die Chinesen als Retourkutsche für Washingtons Strafzölle neue Aufschläge in Kraft. 5140 US-Warenkategorien um 60 Milliarden Dollar werden ab sofort mit bis zu 25 Prozent Zoll belegt.
Wie dramatisch der Konflikt der zwei Großmächte ist, zeigen Berechnungen der Handelsexperten Chad Bown und Eva Zhang vom Peterson Institute: Vor Trump betrugen die US-Zölle auf chinesische Importe im Schnitt 3,1 Prozent. Inzwischen ist der Wert auf über 18 Prozent gestiegen.
Falls Trump alle Drohungen wahr macht, würden fast 28 Prozent erreicht (siehe Grafik). Was nicht weit von Werten der berüchtigten US-Zollgesetze der 1930er-Jahre entfernt wäre, die die Große Depression verschlimmert hatten.
Die Asiaten scheinen sich auf einen langen Streit einzustellen. Und sie haben gute Karten, denn die USA sind auf China angewiesen: als Geldgeber und Financier der US-Staatsschulden, als Rohstofflieferant („Seltene Erden“) für Hightech-Produkte, und als Produktionsstandort und Absatzmarkt (Apple).
Es wäre „nicht verwunderlich, wenn China langfristig mit seinem überlegenen Arsenal an Waffen am längeren Hebel sitzt“, kommentierte Nobelpreisträger Myron Scholes, der den Vermögensverwalter Janus Henderson berät.
USA gegen Huawei
Die USA wollen Huawei, die Nummer zwei am Smartphone-Markt (hinter Samsung, vor Apple) vom Aufbau kritischer Infrastruktur wie dem 5G-Mobilfunkstandard ausschließen. Dahinter steht der Verdacht, dass Huawei Spionage für den chinesischen Staat betreibe. Und wie so oft zwingen die USA dem Rest der Welt ihre eigene Politik auf.
Wenn Googles Android-Betriebssystem keine Updates für die chinesischen Handys mehr ermöglicht, trifft das auch europäische Huawei-Kunden. Und es schadet Firmen wie der deutschen Leica, die für Huawei die hochinnovative Kameratechnologie liefert (und dem österreichischen Industriellen Andreas Kaufmann gehört).
Das Vorgehen ist übrigens nicht neu: Einige Monate davor hatten die USA den chinesischen Netzwerkausrüster ZTE aus dem Geschäft gedrängt und an den Rande der Pleite gebracht.
USA gegen EU – Teil eins
Von der ganz großen Keule blieb die EU (und Japan) bisher verschont: Strafzölle auf europäische Autos hat Trump für ein halbes Jahr ausgesetzt. Bisher wird der Transatlantik-Handel also „nur“ durch US-Zölle auf Stahl und Alu sowie die EU-Retourkutsche auf beispielsweise Harley Davidson, Bourbon-Whiskey, Jeans oder Ketchup belastet.
Und, ganz neu, mit US-Aufschlägen für Bierfässer aus Stahl. Ein Fall, der die Absurdität der Zollspirale gut widerspiegelt. In den USA gibt es nur noch einen einzigen Hersteller von Stahlfässern – American Keg in Pottstown, Pennsylvania.
Das Unternehmen ist schon seit Jahren unter Druck. Ein Fass aus US-Fertigung kostet mit 115 Dollar nämlich deutlich mehr als ein importiertes Fass (95 Dollar). Weil aber die Trump-Zölle auf Stahl den Rohstoff zusätzlich verteuerten, geriet American Keg noch mehr unter Druck und musste fast ein Drittel der Belegschaft feuern.
Um den Schaden auszugleichen, beantragte American Keg also „Anti-Dumping-Zölle“ auf importierte Stahlfässer. Das US-Handelsministerium gab dafür am 29. Mai grünes Licht. Betroffen sind Hersteller aus China und Mexiko, aber auch die deutsche Firma Blefa, deren Produkte in den USA 8,61 Prozent teurer werden sollen.
Dort weist man den Vorwurf, man verkaufe Fässer zu Dumpingpreisen, also unter Herstellkosten, zurück. Dass die Produkte einen unfairen Preisvorteil hätten ist angesichts der hohen deutschen Arbeitskosten und Preise für den verwendeten europäischen Edelstahl auch nicht wirklich nachvollziehbar.
USA gegen EU – Teil zwei
Auch abseits der Zölle mangelt es nicht an Konfliktherden. Die Flugzeugbauer Boeing (USA) und Airbus (EU) überziehen einander im Streit über illegale Staatssubventionen mit Milliardenstrafen.
Die USA wollen die Gas-Pipeline NordStream II von Russland nach Deutschland verhindern.
Und nach der Aufkündigung des Anti-Atomabkommens mit dem Iran zwingen die USA auch europäische Firmen, ihre Geschäfte im lukrativen Nahost-Markt einzustellen.
Umgekehrt empfinden die USA die Digitalsteuerpläne der EU und ihre milliardenschweren Kartellstrafen für US-Konzerne wie Google als Schikane.
USA gegen die WTO
Ein zu Unrecht oft übersehener Streitfall ist die Welthandelsorganisation (WTO) in Genf. Sie wacht als Schiedsrichterin über den Handel – für 164 Mitglieder und 23 Länder, die den Beitritt verhandeln. Nur eine Handvoll Länder wie Nordkorea, Turkmenistan und Eritrea unterhält gar keine Beziehungen.
Die USA strapazieren mit ihren Strafzöllen die WTO-Regeln bis an die Grenzen und darüber hinaus. Und, noch schlimmer: Sie untergraben die Handlungsfähigkeit der Institution. Weil die US-Regierung die Nachbesetzung von Richtern blockiert, wird das Berufungsgericht ab Dezember 2019 handlungsunfähig sein. Statt der etablierten WTO-Vorschriften gilt dann endgültig das Recht des Stärkeren.