Plastikmüll: Warum das geplante Einwegpfand weiter polarisiert
Von Simone Hoepke
Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) kann einen weiteren Punkt auf ihrer Agenda abhaken: Offenbar ist der Einzug des Plastikpfands in Supermärkten und Diskontern fix. Das Ministerium wollte einen entsprechenden Beitrag der Gratis-Zeitung Heute zwar nicht bestätigen, sprach aber von der „Finalisierung der Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes“. Details sollen Ende der Woche bekannt werden.
Dem Vernehmen nach soll es ab spätestens 2025 im gesamten österreichischen Lebensmittelhandel ein Einwegpfand-System geben. Das neue Pfand kommt nicht nur für PET-Flaschen, sondern auch für Getränke-Dosen. Die Details sind noch nicht ausverhandelt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einem emotional aufgeladenen Thema.
Was spricht für ein Flaschenpfand?
Unter anderem, dass Österreich seine Sammelquote erhöhen muss, um die vorgeschriebenen EU-Ziele zu erreichen. Derzeit liegt die Recyclingquote bei 70 Prozent, bis 2029 soll sie auf 90 Prozent steigen. Zahlt der Konsument Pfand auf seine Getränkeflasche, wird er eher geneigt sein, diese zur Sammelstelle zurückzutragen. Dem Vernehmen nach schwebt der Grünen Ministerin ein Pfand von 20 bis 30 Cent pro Gebinde vor.
Gibt es Länder, in denen so ein Flaschenpfand bereits Alltag ist?
Europaweit setzen bereits zehn Nationen auf so ein System, darunter die Niederlande, Finnland, Kroatien oder Deutschland. Laut Angaben der ÖPG PfandsystemgesellschaftmbH liegt die Sammelquote in all diesen Ländern jenseits der 90-Prozent-Marke, in Deutschland sogar bei 98 Prozent.
Warum hat Österreich dann nicht längst auf dieses System gesetzt?
Widerstand kam unter anderem von Handelsvertretern. Sie argumentieren, dass Rückgabestationen Platz (also Verkaufsfläche) und Geld kosten. Sprich, Kosten verursachen, die letztlich auf die Konsumenten überwälzt werden. Befürchtet wurde zudem, dass kleinere Betriebe benachteiligt wären, die sich die Rückgabeautomaten (diese kosten laut Branchenkennern je nach Ausführung zwischen 20.000 und 40.000 Euro) nicht leisten können. Konsumenten, die ihre Pfandflaschen zurückgeben wollen, würden dann in Geschäften mit entsprechender Infrastruktur einkaufen – ein Wettbewerbsnachteil für kleine Betriebe, sagt Handelsobmann Rainer Trefelik. Kritisch auch Spar-Sprecherin Nicole Berkmann: „Wir finden nicht, dass Einwegpfand die beste Lösung ist. Wenn es beschlossen wird, werden wir es aber bestmöglich umsetzen.“
Erreichen wir mit dem neuen Pfand die angestrebte Plastikrecyclingquote?
„Mitnichten“, sagt Christoph Scharff, Vorstand der Altstoff Recycling Austria (ARA). Österreich würde derzeit 75.000 Tonnen Plastikverpackungen recyceln, in vier Jahren sollen es nach EU-Vorgaben 150.000 Tonnen im Jahr sein. Scharff: „Doch mit den PET-Flaschen lassen sich nur 8.000 bis 10.000 zusätzliche Tonnen erzielen.“ Er sieht das Einwegpfand kritisch. „Österreichweit gibt es 250.000 Sammelbehälter für Plastik und obendrein die Sammlung mit dem Gelben Sack für über 1,8 Millionen Haushalte. Die Kosten des aktuellen Systems beziffert er mit rund 100 Millionen Euro, jetzt würde obendrauf ein Parallelsystem geschaffen werden. Scharff: „Dass man künftig den Joghurtbecher und die Waschmittelpackung in den Container oder Gelben Sack werfen und die Getränkeflasche ins Geschäft zurücktragen soll, wird die Convenience nicht steigern und ist aus meiner Sicht ein Modell aus den 1980er Jahren.“
Hätte die Abfallwirtschaft in Österreich eine bessere Idee gehabt?
Marktführer Saubermacher und die ARA haben in den vergangenen Monaten zumindest eine Handy-App-Lösung entwickelt, mit der Konsumenten leere Flaschen vor dem Einwerfen in den Gelben Sack bzw. in den Sammelbehälter scannen (jede Flasche hat einen eigenen Code, was sicher stellt, das jede Flasche nur einmal gescannt werden kann) und dafür das Pfand gutgeschrieben bekommen. Der Unterschied aus Sicht von Scharff: „Die Entsorgung bleibt bei den Experten der Entsorgungswirtschaft, ist bequemer und kostet einen Bruchteil der Automatenlösung im Handel.“
Wie viele Plastik-Getränkeflaschen werden in Österreich in Umlauf gebracht?
Derzeit jährlich 1,6 Milliarden Stück, davon werden 70 Prozent gesammelt und recycelt. Im Burgenland und in Vorarlberg liegt die Quote sogar schon bei 90 Prozent und damit über dem EU-Ziel. Am unteren Ende des Rankings steht Wien. Gelingt es nicht, diese Recyclingquote landesweit zu steigern, drohen Strafzahlungen von bis zu 45 Millionen Euro.