Wirtschaft

OMV-Chef Stern zu Russland: "Wir haben das Risiko unterschätzt"

Kritik an Unternehmen, die in der Vergangenheit intensive Geschäftsbeziehungen mit Russland pflegten, gab es spätestens seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs viel. Ein Unternehmen, das besonders im Zentrum der Kritik stand, ist die teilstaatliche OMV. Namentlich wurde vor allem der ehemalige Vorstandschef Rainer Seele getadelt, der bis Mitte des Vorjahres an der Spitze der OMV stand.

Seeles Nachfolger, der ehemalige Chef der OMV-Tochter Borealis, Alfred Stern, distanzierte sich heute gegenüber Ö1 von dieser Russland-Connection: "Was konkret passiert ist: Wir haben das Risiko unterschätzt, das sich hier mit Russland ergibt. Ich glaube, diese Risikounterschätzung teilen wir mit vielen Menschen in Europa."

"Ein Fehler"

Gerhard Roiss, wiederum Vorgänger von Rainer Seele als OMV-Boss, hat die Russland-Verbindung immer wieder kritisiert - und Stern gibt ihm auf Nachfrage eines Ö1-Journalisten recht: "Natürlich. Die Investitionen, die wir dort gemacht haben, mussten wir jetzt wertberichtigen und dieses höher gewordene Risiko reflektieren. Damit ist jetzt im Nachhinein gesehen natürlich ein Fehler geschehen, dass wir diese Investitionen gemacht haben." Er sei aber kein Freund davon, Sachverhalte "im Nachhinein" zu beurteilen.

An den bestehenden Lieferverträgen mit der Gazprom über Gasimporte werde die OMV aber festhalten. Man wolle Solidarität zeigen, aber gleichzeitig der heimischen Wirtschaft nicht schaden. Das ist eine "schwierige Lage", über 50 Jahre lang habe Österreich vom günstigen Gas aus Russland ja profitiert. Einen vorzeitigen Ausstieg aus den Lieferverträgen mit Gazprom, die ja bis 2040 gehen, könne man prüfen, die Versorgung sicherzustellen sei jetzt aber, womit man sich am meisten beschäftige. Bis 2040 werde sich zeigen, wie sich das "rechtliche Sanktionsumfeld" über die nächsten Jahre entwickeln werde.

Ausstieg "schwierig"

Ein Ausstieg sei auch schwierig, so Stern. "Die Realität zeigt, dass die Mengen von Gas, die aus Russland kommen, heute nicht so einfach zu ersetzen sind." Es bräuchte massive Investitionen vor allem in die Infrastruktur, etwa in Flüssiggas-Terminals. Die kurzfristigen Möglichkeiten für Österreich seien "wirklich begrenzt". Österreich bezieht 80 Prozent seines Gasbedarfs aus Russland.

Geänderte Russland-Strategie

Die OMV hat bereits vor gut zwei Wochen erklärt, ihre Russland-Strategie zu ändern. So würden keine neuen Investitionen getätigt und die 24,99-Prozent-Beteiligung am Erdgasfeld Juschno Russkoje werde "strategisch überprüft", hieß es Anfang März in einer Aussendung des Unternehmens nach einem Vorstandsbeschluss: "Diese Überprüfung beinhaltet alle Optionen einschließlich Möglichkeiten einer Veräußerung oder Ausstiegs". Die Abschreibungen deswegen belaufen sich auf 500 bis 800 Millionen Euro.

Dazu kommt eine weitere Abschreibung von fast einer Mrd. Euro wegen der Pipeline-Gesellschaft Nord Stream 2. Die OMV war an deren Finanzierung beteiligt, die Pipeline dürfte nun aber nicht in Betrieb genommen werden. Die OMV nehme "wegen der erwarteten Uneinbringlichkeit der Forderungen gegenüber der Nord Stream 2 AG eine Wertanpassung in Höhe von 987 Mio. Euro (Ausleihung plus Zinsabgrenzung, Stand 31. Dezember 2021) vor".

Keine Verhandlungen mehr

Noch etwas früher hatte die OMV bereits angekündigt, alle Verhandlungen mit Gazprom über den Erwerb einer 24,98% Beteiligung an den Blöcken 4A/5A der Achimov-Formation des Urengoi-Erdgas- und Kondensatfelds zu beenden. Die zugrundeliegende Vereinbarung vom 3. Oktober 2018 wurde gekündigt.

Im Interview mit Ö1 erklärte OMV-Boss Stern auch, dass sein Unternehmen "zuversichtlich" sei, was eine etwaige Prüfung von Wettbewerbshütern in Sachen hohe Spritpreise angeht. Es werde herauskommen, dass die aktuelle Kostensituation die Preise treibe, so Stern. In den vergangenen Tagen waren die Ölpreise ja bekanntlich von ihren Höchstständen wieder gesunken, die Spritpreise aber nicht in einem ähnlichen Ausmaß.

Als Unternehmen will die OMV bis 2050 komplett aus dem Öl- und Gasgeschäft aussteigen und sich stärker auf den Kunststoffbereich fokussieren. Man könne seine Strategie aber "nicht über Nacht" wechseln - nicht als OMV, und auch nicht als Gesellschaft. Es werde etwa Gas als Übergang brauchen. "Das muss versorgt werden."

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