Notenbanken spielen bei Zinsen Mikado: Wer bewegt sich zuerst?
Von Michael Bachner
Alle Prognosen gehen derzeit davon aus, dass die Inflation im kommenden Jahr deutlich sinken werde. Das müsste es der Europäischen Zentralbank (EZB) eigentlich erlauben, die Leitzinsen wieder abzusenken, was Kreditnehmer, die auf eine variable Verzinsung setzen, entgegen kommt.
Ein Aufatmen ist derzeit aber noch nicht zu vernehmen und das liegt daran, dass sich die Notenbanker mit Äußerungen zu möglichen Zinssenkungen bewusst zurückhalten, um nicht zu früh ihre bisherige Politik zu konterkarieren.
Zwar haben sowohl die US-Notenbank Fed wie auch die EZB bereits eine Zinspause eingelegt, ihre Leitzinsen also vorerst nicht weiter erhöht, doch von einer ersten Zinssenkung wollen weder EZB-Präsidentin Christine Lagarde noch Fed-Chef Jerome Powell offiziell etwas wissen. Stattdessen heißt es immer wieder, dass der Kampf gegen die Inflation noch nicht endgültig gewonnen sei – man also noch zuwarten müsse.
„Die Notenbanken spielen Mikado: Wer bewegt sich zuerst?“, beschreibt Stefan Schneider diese Situation. Der „Chief German Economist“ der Deutschen Bank war Gast bei einer Veranstaltung des Bankenverbandes in Wien. Der Top-Ökonom rechnet damit, dass es in den USA und in der Eurozone ab Juni 2024 zu ersten Zinssenkungen kommen werde. Das Tempo der Zinssenkungen sei aber ungewiss. Realistisch sei ein Niveau für den US-Leitzins von knapp über drei Prozent Anfang 2025. Für die Eurozone erwartet Schneider 2,5 Prozent – aber erst im Schlussquartal 2025.
Ab Sommer Erholung
Parallel zu sinkenden Zinsen könnte ab dem Sommer 2024 auch die Konjunktur anspringen. Das erwartet Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Unicredit Bank Austria. Nach der Rezession im Jahr 2023 (minus 0,5 Prozent) sollte die Wirtschaft 2024 um 0,9 Prozent wachsen.
Einen wesentlichen Beitrag liefert dazu der private Konsum. Hier spielen die erwartbar höheren Lohnabschlüsse hinein sowie der robuste Arbeitsmarkt. Bruckbauer: „Die Rekordbeschäftigung multipliziert mit den geleisteten Stunden zeigt, wir haben per Ende 2023 soviel gearbeitet wie nie zuvor.“
An Inflation erwartet Bruckbauer einen Rückgang von 7,8 Prozent (2023) auf 3,6 Prozent im kommenden Jahr. Das liegt jedoch weiter klar über dem prognostizierten Niveau Deutschlands (2,3 Prozent) oder jenem in der Eurozone (2,2 Prozent). Verantwortlich macht der Experte dafür vor allem die kräftigen Preissteigerungen in Gastronomie und Hotellerie sowie die höhere Gewichtung der dort getätigten Ausgaben im heimischen Warenkorb. Bruckbauer mit Bezug auf die aktuell triste Baukonjunktur: „Die Leute gehen ins Gasthaus, aber nicht ins Bauhaus.“