Mercer-Studie: Österreichs Pensionssystem wenig nachhaltig
Von Anita Staudacher
Das österreichische Pensionssystem ist wenig nachhaltig. Im Vergleich mit 44 ausgesuchten Ländern schneidet Österreich bei der Nachhaltigkeit sogar am schlechtesten ab, ergab der aktuelle Mercer CFA Institute Global Pension Index 2022 (MCGPI).
In der Gesamtbewertung der Rentensysteme liegt Österreich mit einem Gesamtscore von 55 Punkten nur auf Rang 33 und konnte sich damit gegenüber 2021 nicht verbessern. Zum Vergleich: Länder wie Saudi-Arabien oder Brasilien sind noch vor Österreich. Deutschland kam auf Rang 17. Am besten schnitt erneut das isländische Altersversorgungssystem an, die Niederlande und Dänemark kamen auf den zweiten bzw. dritten Platz.
Die Studie vergleicht die staatlichen und privaten Altersversorgungssysteme von 44 Ländern, also erste, zweite und dritte Vorsorgesäule. Der Index besteht aus drei Teilindizes – Angemessenheit (wie viel bekommst du?), Nachhaltigkeit (kann es weiter liefern?) und Integrität (kann man ihm vertrauen?) – um jedes Renteneinkommenssystem anhand von mehr als 50 Indikatoren zu messen. Es werden Daten von der OECD sowie der UNO (UN World Population Prospects 2022) verwendet.
Beim Sub-Index Angemessenheit erreichte Österreich 69,8 Punkte und beim Faktor Integrität sehr gute 76,5 Punkte.
Zu viel Staat, zu wenig privat
Österreich verlasse sich nach wie vor zu sehr auf das staatliche Rentensystem und vernachlässige die zweite und dritte Vorsorgesäule, so das Mercer-Fazit. "Die Zahlen belegen, dass die Verknüpfung der staatlichen, betrieblichen und privaten Vorsorge unvermeidbar ist", kommentiert Michaela Plank, Expertin für betriebliche Altersvorsorge bei Mercer Austria. Sie verweist auf die drei Siegerländer aus dem Norden Europas, wo das Einkommen im Alter schon lange nicht nur auf das staatliche Rentensystem beruht.
„Die staatliche Pension wird weiterhin ein wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge sein, aber die zweite und bei Bedarf auch die dritte Pensionssäule müssen dringend an Stellenwert gewinnen, um zum Zeitpunkt der Pensionierung ein ausreichendes Versorgungsniveau zu haben“.
Plank verweist auf die Einschätzung von Walter Pöltner, dem neuen Leiter der Alterssicherungskommission, wonach ein heute 45-Jähriger bei Pensionsantritt rund 20 Prozent weniger Pension zu erwarten hat, als ein vergleichbarer Angestellter, der vor zehn Jahren in den Ruhestand getreten ist. "Fakt ist, dass demografische Faktoren wie die Überalterung und die steigende Bevölkerungszahl sowie die Umstellung auf das neue Pensionskonto zur Verringerung der Ansprüche aus dem staatlichen Pensionssystem führen".
Wichtig wäre daher ein Zusammenspiel aller drei Säulen, Anstieg an kapitalgedeckter Vorsorge und Ausbau der zweiten und dritten Säule. Die erste Säule könne nicht mehr alleine für ein adäquates Pensionseinkommen aufkommen, ist Plank überzeugt.
Abfertigung Neu reformieren
Als Beispiel nennt sie die Abfertigung neu, die für die Alterssicherung wenig nachhaltig sei, weil ein Großteil der Empfänger sich die Summe bei Pensionsantritt oder sobald es möglich ist auszahlen lasse, statt sie zu verrenten.
Auch sei die Performance der Vorsorgekassen ob der gesetzlichen Vorgaben bei der Veranlagung eingeschränkt. Zudem habe die betriebliche Vorsorge in das aktuelle Thema der ökosozialen Steuerreform keinen Eingang gefunden. Plank plädiert auch für steuerliche Anreize für eine Basisaltersvorsorge, etwa durch eine Anhebung der steuerfreien Zukunftsvorsorge von 300 Euro im Jahr auf 1.000 Euro.
Mehr Finanzbildung gefordert
Sich selbst um die Zukunftsvorsorge zu kümmern, setzt freilich ein gewisses Marktverständnis voraus, weshalb die Mercer-Expertin auch für eine Forcierung der Finanzbildung in der Bevölkerung eintritt. "Die Finanzbildung gehört in die Lehrpläne hinein", so Plank.
AK kritisiert Index
Die Arbeiterkammer (AK) kann mit der kapitalmarktorientierten Mercer-Studie nichts anfangen. „Dass unser Pensionssystem nicht nachhaltig ist, ist schlicht ein Unsinn“, sagt AK-Pensionsexperte Erik Türk. Der Index würde weder die Angemessenheit noch die Nachhaltigkeit von Pensionen messen, sondern einzig die Bedeutung von Kapitaldeckung in den Systemen. Er sei so konstruiert, dass Pensionssysteme automatisch umso nachhaltiger erscheinen, je höher der Anteil der Kapitaldeckung ist. - ohne Rücksicht auf die Entwicklung der Aktienmärkte (Stichwort Finanzkrise).
Auch sei es seltsam, dass Deutschland bei der Angemessenheit besser abschneide, obwohl hier das Leistungsniveau wesentlich geringer sei als in Österreich. In anderen Studien, etwa von der EU-Kommission, schneide Österreichs System daher sehr gut ab und diene anderen Ländern als Vorbild.