Wirtschaft

Lagarde sorgte auf EZB-Zinssitzung für hart errungenen Kompromiss

EZB-Chefin Christine Lagarde hat auf der jüngsten Zinssitzung der Währungshüter einen schwierigen Kompromiss eingefädelt. Am Ende stand nach vielen Diskussionen im EZB-Rat zwar ein neues Hilfspaket für die von der zweiten Pandemiewelle gebeutelte Wirtschaft im Euroraum. Doch laut Informationen von fünf mit der Situation vertrauten Personen war die Zinssitzung am 9. und 10. Dezember spannungsgeladen.

Das von EZB-Chefökonom Philip Lane vorgeschlagene Maßnahmenbündel sei nicht einfach durchgewunken worden.

Die Währungshüter beschlossen am Ende unter anderem, ihr Pandemie-Anleihekaufprogramm PEPP um 500 Milliarden Euro auf 1,85 Billionen Euro aufzustocken. Zudem wurden die Liquiditätsspritzen für Banken - in der Fachwelt "TLTRO" genannt - für diese noch günstiger gestaltet. Am Ende hat Lagarde den Insidern zufolge eine große Mehrheit unter den Währungshütern für das vorgeschlagene Maßnahmenpaket sichern können. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab.

Laut den mit der Situation vertrauten Personen gab es unterschiedliche Auffassungen über den Umfang der Aufstockung der PEPP-Anleihenkäufe. Dabei seien auch Vorschläge einer Erhöhung um 750 Milliarden Euro debattiert worden. Andere hätten dagegen geringere Volumina für angemessen gehalten. Und auch zu den verbesserten Konditionen der Liquiditätsspritzen für Geldhäuser habe es divergierende Ansichten gegeben.

Zu beiden Punkten habe Lagarde schließlich Kompromisse orchestriert, indem sie den Ratsmitgliedern Zugeständnisse angeboten habe, sagten die Insider. Anders als manchmal bei ihrem Vorgänger Mario Draghi seien abweichende Ansichten nicht einfach zur Seite gedrängt worden. In einem Fall habe Lagarde geholfen, Mitglieder mit divergierenden Auffassungen zu gewinnen, indem sie betont habe, dass die zuletzt geplante Aufstockung des PEPP-Programms um 500 Milliarden Euro nicht voll ausgeschöpft werden müsse, wenn die Finanzierungsbedingungen günstig blieben. Andererseits habe sie auch die Möglichkeit einer Erhöhung ins Spiel gebracht. Das würde allerdings eine neue Entscheidung des EZB-Rats voraussetzen.

Auch über den Umfang der TLTRO-Geldspritzen gab es laut den mit der Situation vertrauten Personen kontroverse Ansichten. Vertreter, die eher für eine straffere Geldpolitik einstünden, hätten Lanes anfängliche Idee abgelehnt, den Höchstbetrag, den sich Banken leihen können, von 50 auf 60 Prozent ihres Bestands an anrechenbaren Krediten zu erhöhen, sagten die Insider. Lagarde sei hier aber in der Lage gewesen mit 55 Prozent eine Kompromisslinie zu entwickeln.

Während Staatsanleihekäufe der Euro-Notenbank schon immer ein kontrovers diskutiertes geldpolitisches Werkzeug waren - zumindest in Deutschland - ist die Debatte über die TLTRO-Geldspritzen neu. Mittlerweile wird unter anderem die Gefahr gesehen, dass die EZB den Instituten mit den sehr vorteilhaften Bedingungen womöglich zu stark entgegenkommt. Die Befürchtung ist, dass sie dadurch womöglich dafür sorge, dass Geldhäuser eigentlich notwendige Restrukturierungen oder Fusionen auf die lange Bank schieben.