Wirtschaft/Karriere

Ohne Gas: So rüsten sich Betriebe für den Notfall

Seit Anfang dieser Woche fließt kein Gas mehr durch die russische Pipeline Nordstream 1 nach Europa. Der Grund: Wartungsarbeiten, die lange angekündigt waren. Nord Stream 1 spielt für die direkten Gaslieferungen nach Österreich zunächst eine untergeordnete Rolle. Wie es nach den Wartungsarbeiten weiter geht, bleibt ungewiss. Diese Situation heizt die Debatte um die Gasversorgung im Falle eines Lieferstopps aus Russland aber zusätzlich an. Nervosität und Ungewissheit machen sich in den Industriebetrieben breit.

Der KURIER ging deshalb der Frage nach, ob heimische Betriebe, die von Gas abhängig sind, einen Notfallplan für das Worst-Case-Szenario haben. Also für den Fall, dass gar kein Gas mehr nach Österreich fließt. Zusammengefasst ergaben die Recherchen: Es gibt Betriebe, die haben keinen Plan B, weil sie schlicht keine Alternative zu Gas haben. Hier ist eine Umstellung – vor allem kurzfristig – auf Öl oder erneuerbare Energie technisch oder gesetzlich nicht möglich oder es fehlt schlicht das Investitionskapital. „Für uns wäre ein Lieferstopp die Katastrophe“, sagt der technische Direktor Günter Waldl des Zementherstellers Leube. „Aber nicht nur, dass wir dann nicht mehr produzieren können und gravierende personelle Maßnahmen ergreifen müssten, der Brennofen geht kaputt, wenn er nicht läuft.“ Mit dem Problem steht Leube nicht alleine da. Viele Millionen teure Anlagen würden erheblichen Schaden nehmen, wenn sie auch nur kurzfristig nicht in Betrieb sind.

Erste Notfallpläne

Andere Industriebetriebe wiederum haben bereits Ideen oder Pläne für einen möglichen Notfall. Die meisten reden in der Öffentlichkeit aber nicht darüber. So haben manche Betriebe eigene Gasspeicher und Reserven angelegt. Die voestalpine etwa. „Sollte es zu diesem Worst-Case-Szenario kommen, könnten wir dennoch dank gefüllter, eigener Speicher sowie alternativer Gasbezugsquellen die Produktion in Österreich für mehrere Monate aufrechterhalten“, gab Herbert Eibensteiner, CEO der voestalpine AG, bekannt.

Die Rede ist hier konkret von einer eingespeicherten Gasmenge, die drei Monate Vollbetrieb beziehungsweise einen entsprechend längeren Teilbetrieb ermöglichen würde. Auf Nachfrage, wie der Plan lautet, wenn auch das eigens eingespeicherte Gas aufgebraucht ist, hieß es von Seiten des Konzerns, dass man aus strategischen Gründen keine weiteren Details nennen möchte.

Keine kurzfristigen Lösungen

Dann gibt es noch jene Betriebe, die zwar kurzfristig auch nicht wirklich eine Lösung haben, aber die Lage nutzen, langfristige Pläne zu machen, um auf andere Energiequellen umzusteigen. Der Papierproduzent Sappi Austria Produktions-GmbH & Co. KG ist ein Beispiel hierfür. „Unsere Zellstofffabrik läuft aktuell zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie, aber unsere Papierfabrik ist zu 100 Prozent von Gas abhängig“, sagt der Geschäftsführer Max Oberhumer. Vor drei Jahren hat der Papierproduzent aus Gründen der Umwelt und Nachhaltigkeit begonnen, Pläne zu machen, von Gas auf Biomasse umzustellen. Derzeit wird die Kesselanlage dazu umgebaut. „Durch die aktuelle Situation wollen wir natürlich rascher vorankommen. So schnell geht es aber dann doch nicht. Diese Mengen an Biomasse sind ja nicht von heute auf morgen zu bekommen. Außerdem ist die ganze Logistik zu klären etc. Mit dem Umbau alleine ist es ja nicht getan“, so Oberhumer. In den nächsten Monaten soll die Papierfabrik zu einem Drittel zumindest schon einmal mit Biomasse laufen. Zwei bis drei Jahre braucht es, um dann 90 Prozent des Gases zu ersetzen. „Etwa 10 Prozent Gas werden wir aus technischen Gründen aber immer brauchen.“

Die unterschiedlichen Situationen,die hier kurz skizziert wurden, sind in Wahrheit natürlich noch viel komplexer. Das fängt damit an, dass nicht jeder Betrieb gleich viel und gleichwertig von Gas abhängig ist. Ein Beispiel dazu: Sie können ein Getränkehersteller sein, dessen Produktionsbetrieb zu 100 Prozent auf Biomasse läuft. Die Flaschen zum Abfüllen werden von einem anderen Unternehmen zugeliefert und kommen aus einer Fabrik, die ohne Gas nicht produzieren kann. Am Ende sind Sie also wieder, und zwar indirekt vom Gas abhängig.

Viele Fragen bleiben offen

Beispielsweise jene: Wer bekommt wie viel Gas, wenn es zu Lieferengpässen kommt? Denn: „Das Gas, das derzeit produziert wird, ist ja schon verkauft. Hier laufen Verträge teilweise bis zum Jahr 2024“, gibt Bernhard Stürmer, Geschäftsführer vom Kompost und Biogas Verband, zu bedenken. Vizegeneralsekretär der Industriellenvereinigung Peter Koren begrüßt aktuell die Vorhaben, verstärkt Gas substituieren zu wollen und dabei auch Öl einzusetzen: „Damit wird Gas für die Speicherung frei gemacht und somit die Versorgungssicherheit gestärkt. Die Voraussetzung dafür ist in den jeweiligen Unternehmen äußerst unterschiedlich. Klar ist jedoch, dass die Umrüstung von Gas auf Öl mit finanzieller Unterstützung und den entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen, wie der Anpassung der Emissionsgrenzen, einhergehen muss.“ Neben politischen Rahmenbedingungen und einem Krisenmanagement braucht es im Falle des Worst-Case-Szenarios, vor allem eines: Zusammenhalt. Da sind sich alle einig,