Ist das Ende des Homeoffice nahe? Eine Arbeitsexpertin ordnet ein
Von Jennifer Corazza
Das Homeoffice ist auf dem Rückzug - das zeigt eine neue Studie von Deloitte Österreich. Warum diese Bewegung nicht nur von den Arbeitgebern, sondern auch Arbeitnehmern ausgeht und weshalb internationale Tech-Riesen wie Amazon und Google heimische Chefs dazu bewegen, wieder mehr von ihren Mitarbeitern zu fordern, erklärt die New-Work-Expertin Juliana Wolfsberger.
KURIER: Die neue Flexible-Working-Studie von Deloitte zeigt: Homeoffice ist auf dem Rückzug. Die Nutzung von Homeoffice ist um 17 Prozentpunkte gesunken. Ein überraschendes Ergebnis?
Juliana Wolfsberger: Überall dort, wo ein starker Trend in eine Richtung geht, kann man einen Gegentrend erwarten. Es war also zu erwarten, dass es einen kleinen Rückgang geben wird. Dass dieser in den vergangenen zwei Jahren doch so stark ist, hat uns überrascht. Sieht man sich die Arbeitswelt insgesamt an, ist das aber ein weltweites Phänomen, das wir etwa in den USA stark beobachten.
Von wem geht diese Entwicklung aus?
Sowohl von den Unternehmen als auch Mitarbeitenden. Die Gründe auf beiden Seiten sind keine neuen. Das Thema Mitarbeiter-Bindung ist nach wie vor der Dauerbrenner. Im Sinne von: die Unternehmenskultur spürbar machen, informellen Austausch und Kommunikation fördern. All das geht verloren im gefühlt sterilen Homeoffice, wo man nur über Computer miteinander verbunden ist.
Also sind es nicht nur die Firmen, die sich trauen, wieder mehr Anwesenheit zu fordern?
Der Arbeitsmarkt war vor zwei, drei Jahren sehr Arbeitnehmerinnen-getrieben. Da hat sich kein Unternehmen auch nur ansatzweise getraut, einen Rückzieher zu machen und die Leute vermehrt ins Büro zu holen. Das hat sich nicht komplett geändert, aber man merkt, dass sich diese Kräfteverhältnis etwas gedreht hat und Unternehmen wieder stärkere Forderungen setzen können an Mitarbeiter und Bewerber.
Mehr Büro kann eine Form der Mitarbeiterbindung sein. Aber es kann sie auch verscheuchen, wenn es mit Zwang daherkommt. Ist der Trend also ein positiver?
Das lässt sich nur unternehmensspezifisch betrachten. Für manche wird es durchaus wichtig sein, nach wie vor auf Homeoffice zu setzen. Aber dort, wo man mit hoher Fluktuation zu kämpfen hat und das auf fehlende Zugehörigkeit zurückzuführen ist, da würde ich raten, positive Anreize zu schaffen, das Büro tatsächlich wieder zu einem sinnvollen Arbeitsplatz zu machen. Und nicht die Keule zu schwingen und zu sagen: ab jetzt nur mehr ein Homeoffice-Tag die Woche.
Jeder zehnte Geschäftsführende soll laut Studie sogar ein Ende von Remote Work fordern. Nimmt man sich hier Tesla, Microsoft, Google und Amazon zum Vorbild, die das schon durchsetzen?
Man hatte schon immer eine gewisse Homeoffice-Skepsis und diese wird es auch vermutlich immer geben. Unsere Studien zeigen aber, dass sich diese Skepsis in den vergangenen Jahren reduziert hat. Man darf nicht vergessen: Viele Geschäftsführungen haben in letzter Zeit in Büros investiert, um eine gute Unternehmenskultur zu ermöglichen. Häufig sind es auch die Geschäftsführer, die sehr wenig bis gar nicht von Zuhause aus arbeiten. Aus einer individuellen Sicht gesprochen, kann ich also gut nachvollziehen, wenn ein Geschäftsführer durch leere Büros geht und ein unangenehmes Gefühl aufkommt.
Erst heuer im Mai wurde das Telearbeitsgesetz gelockert und Homeoffice ist von mehreren Orten aus möglich. Ein Widerspruch, finden Sie?
Es war auf jeden Fall eine Notwendigkeit, das Gesetz auszuweiten. Gleichzeitig schließt sich das für mich in keiner Weise aus. Die realen Umstände von Unternehmen können sich verändern. Damit generell die Möglichkeit besteht, Homeoffice zu nutzen, braucht es als Basis einen geschützten, gesetzlichen Rahmen.