Generationenforscherin über das 30-Stunden-Ideal der Jungen
Von Ornella Wächter
KURIER: Warum stoßen Millennials mit der 30-Stunden-Forderung vielfach auf verschlossene Türen?
Steffi Burkhart: Viele Unternehmen agieren im Modus der Erfahrung, halten an alten Personalstrategien, Arbeitszeitmodellen, Organisationsstrukturen und Führungskulturen fest. Der klassisch erfolgreiche Babyboomer ist männlich über 50 und im Anzug. So sieht unsere Entscheiderebene in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft seit Jahrzehnten aus.
Warum ist der Wunsch nach einem Teilzeit-Job bei Jungen stark?
Millennials und die Generation Z werden in ihrem Berufsleben etwa sechs bis acht Mal den Job wechseln und mindestens einmal die Branche. Sie leben Zickzack-Modelle, statt sich über Jahre hinweg mühselig die Karriereleiter hoch zu schuften. Wir haben es mit einer Generation zu tun, die lieber in Teilzeit angestellt ist, da die Bedeutung des Faktors Zeit über Generationen hinweg gestiegen ist. Was dazu führt, dass Junge sogar bereit sind, auf Anerkennung in Form von Geld zu verzichten.
Statistisch gesehen könnte man nicht sagen, dass mehr junge Berufseinsteiger am Arbeitsmarkt in Teilzeit arbeiten. Warum halten sich dann trotzdem hartnäckig Vorurteile fest, sie würden weniger arbeiten wollen?
Sie haben sich selbst die Antwort gegeben. Wunsch und Realität klaffen auseinander. Wir können jetzt die Corona-Pandemie als Chance nutzen, um auch in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsort neue Modelle zu entwickeln. Immerhin konnten wir in den letzten Monaten auch mitterleben, dass die Wirtschaft weiterläuft, auch wenn zwischenzeitlich viele Menschen aus dem Home-Office gearbeitet haben, was vor Corona in vielen Organisationen nicht erlaubt war. Wir leben inmitten der Entstehung vieler neuer Welten. Dazu brauchne wir den Mut, die Kreativität, Neugierde und Experiementierfreude, Zukunft zu denken und anders zu handeln.
In Österreich sind Teilzeitstellen akzeptiert, wenn es um Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Wieso gibt es für die Idee einer Work-Life-Balance noch kein Instrument?
Unternehmen müssen sich trauen, viele weitere Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen um im zukünftigen Kampf um Fachkräfte und die besten Köpfen mithalten zu können. Diese Flexibilität als Arbeitgeber für Mitarbeiter anzubieten ist herausfordernd, jedoch unumgänglich. Bei der Deutschen Bahn zum Beispiel gibt es ein Wahlmodell, bei dem sich die Mitarbeiter zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit entschieden dürfen. Als dieses Modell eingeführt wurde, haben sich mehr als 50 Prozent der Beschäftigten für mehr freie Tage entschieden.