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Bachelor für Lehr-Absolventen

Wie viel Wissenschaft braucht die Wirtschaft?“ Das wollten 190 Zuhörer hoch über den Dächern Wiens wissen. Die Wirtschaftskammer lud am Dienstag zur Diskussion über „berufliche Weiterbildung auf Hochschulebene“ in ihre mondäne Sky Lounge. „So einen Blick über Wien werde ich in meinem Leben wohl nicht mehr haben“, seufzte Rudolf Strahm, Präsident des Schweizer Verbandes für Weiterbildung, während seines Vortrags.

Strahm, Autor des Buchs „Warum wir (die Schweizer, Anm.) so reich sind“, sieht auch in der Tertiären Bildung einen Grund eben dafür: Im EU-27-Durchschnitt liege die Jugendarbeitslosenquote bei 20 Prozent, in Ländern mit dualer Berufsausbildung – wie Österreich, Deutschland und der Schweiz – bei nur etwa acht Prozent.

Und was der bekannte Ökonom aus dem Kanton Bern sonst noch zu berichten hatte, versetzte den Bildungssystem-Unkundigen bass in Erstaunen: In der Schweiz hätten 80 bis 90 Prozent aller Fachhochschul-Absolventen einen Lehrabschluss – im Sinne des Schweizer Slogans „kein Abschluss ohne Anschluss“. Helmut Holzinger, Chef der Fachhochschulkonferenz konnte bei der anschließenden Podiumsdiskussion für Österreich nur mit einer mageren Zahl von 14 Prozent aufwarten. Die Durchlässigkeit in den tertiären Sektor ist bei uns also kaum vorhanden.

Praxisnah

Eben die will die Wirtschaftskammer erreichen: Berufsakademien mit Bachelor-Abschluss sollen eine duale höhere Bildung bieten und dem Fachkräftemangel den Garaus machen. Darin integriert werden sollen bestehende Ausbildungen wie jene zum Werkmeister und Fachakademien. „Die Berufsakademie wäre als dritte Säule eine gleichwertige, aber andersartige Alternative“ zu den Unis und FH, sagt WKO-Präsident Christoph Leitl. Die Akademikerquote auffetten wolle er damit nicht, „sondern einen zusätzlichen Pfad zur Spitzenausbildung schaffen“. Kein Gebäude aus Ziegeln sei geplant, sagte Thomas Mayr, Geschäftsführer des Instituts für Bildungsforschung in der Wirtschaft. Vielmehr würde man praxisnahe Curricula an Instituten wie dem WIFI und Bfi anbieten – um zum Beispiel den Werksmeister mit IT- und Englischkenntnissen samt Bachelor-Abschluss auszustatten. Die Bereitschaft zur Weiterbildung sei bei den Lehrabsolventen groß, bekräftigte auch ÖVP-Wissenschaftssprecherin Katharina Cortolezis-Schlager am Podium: „Sie zahlen immerhin 7000 Euro für Weiterbildung.“ Der Grüne Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald plädierte dafür, die Treffsicherheit bei der Berufswahl zu verbessern. Gerald Bast, Rektor der Kunst-Uni Wien, sagte: „Es gibt Lebensabschnitts-Berufstätigkeiten, da braucht es auch eine Lebensabschnitts-Bildung.“ Auch Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle kann dem Vorschlag zu den Berufsakademien einiges abgewinnen. Bei den Unis wolle er auf mehr Qualität setzen, den tertiären Sektor quantitativ bei der Berufsbildung ausbauen: „Die Stärken unseres Bildungssystems liegen zweifellos im dualen Ausbildungssystem.“ Auf die Publikumsfrage, wann man die Berufsakademien umsetze, sagte er: „Ich bin dafür – gehen wir’s an.“