IV-Präsident Kapsch zur EU-Wahl: "Warum muss ich Österreicher wählen?"
Von Anita Staudacher
Österreichs Wirtschaft zählt zu den Hauptprofiteuren des grenzenlosen EU-Binnenmarktes – siehe Artikel unten. Die Industriellenvereinigung (IV) will den Binnenmarkt daher weiter vertiefen. Konkret schlägt sie in ihrem am Donnerstag präsentierten „Europa-Manifest“ die Schaffung eines europäischen Währungsfonds und weniger Bürokratie bei der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitskräften vor. In einem Punkt will die IV den Binnenmarkt jedoch wieder etwas lockern: Bei grenzüberschreitenden Investitionen.
„Wir müssen unsere Investitionen absichern, es muss daher ein neues Investitionsschutzabkommen geben“, sagt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Viele heimische Unternehmen seien stark in Mittel- und Osteuropa engagiert. Die Forderung habe aber „nichts mit Misstrauen gegenüber diesen Ländern zu tun“, betont Neumayer auf Nachfrage. Es gäbe aber ganz konkrete Fälle, die zeigen würden, dass ein Investitionsschutz-Mechanismus innerhalb der EU „für eine gewisse Übergangszeit Sinn macht“. Dieser müsste freilich alle Länder betreffen.
Keine Einstimmigkeit
Bezüglich Strukturreform will die IV das Einstimmigkeitsprinzip „in weiten Bereichen“ abschaffen, die EU-Kommission verkleinern und die Anzahl der EU-Kommissare durch ein Rotationsprinzip auf zwei Drittel der Mitgliedsstaaten begrenzen. IV-Präsident Georg Kapsch hält auch das EU-Wahlrecht für überholt und plädiert für europaweite Kandidatenlisten. „Warum muss ich immer eine Österreicherin oder einen Österreicher wählen, warum nicht eine Spanierin, einen Franzosen oder eine Lettin?“ Auch eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten kann sich Kapsch vorstellen. „Das hat alles Vor- und Nachteile. Wir hätten dann ein Präsidialsystem. Manche mögen das, andere nicht.“
Keine eindeutige Position ist dem IV-Chef bezüglich des Schutzes wichtiger österreichischer Unternehmen vor einer Übernahme durch Chinesen zu entlocken. Grundsätzlich sei er seit vielen Jahren „ein China-Skeptiker“, man könne aber niemanden verbieten, sein Unternehmen zu verkaufen, um etwa eine Insolvenz zu verhindern. Andererseits wolle man auch nicht, dass Kerntechnologien nach China wandern.
Die von der Regierung geplante Schwelle von zehn Prozent, aber der eine Beteiligung an heimischen Unternehmen durch einen Investor aus einem Nicht-EU-Land genehmigt werden muss, hält Kapsch für zu niedrig.
Kritik an SPÖ-Plakat
Kritik übt Kapsch an den Wahlkampf-Plakaten von SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder im EU-Wahlkampf. Diese enthalten den Spruch "Mensch statt Konzern". Dies sei eine "völlig undifferenzierte Attacke gegen diejenigen, die Arbeitsplätze schaffen", so der IV-Chef. "Herr Schieder hat noch keinen einzigen Arbeitsplatz geschaffen in seinem Leben".