Wirtschaft

US-Währungshüter sieht "Anlass, etwas nervös zu werden"

Ein führender US-Währungshüter hält die Talfahrt an den Finanzmärkten rund um den Globus nach einem Rezessionsvorboten für verständlich. Zugleich stimmte er Investoren auf eine anhaltende Zinspause ein. Die jüngste Entwicklung am US-Anleihemarkt gebe Anlass, "etwas nervös zu werden", sagte Fed-Führungsmitglied Charles Evans am Montag in Hongkong.

Die Renditen kurzfristiger Staatsanleihen waren am Freitag erstmals seit zwölf Jahren wieder höher als bei den langfristigen Bonds, was Experten als ein Warnzeichen für die Gefahr eines nahenden Konjunktureinbruchs werten. Denn üblicherweise steigt die Verzinsung mit der Laufzeit.

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"USA husten, Europa wird krank"

Von einer Rezession in den USA könnte sich Europa nicht entkoppeln, sagte Markus Müller, Chefanlagestratege von Deutsche Bank Wealth Management, kürzlich: "Wenn die USA husten, werden wir auch krank." Er sah die Wahrscheinlichkeit einer Rezession als gering an. Aus der Vergangenheit - konkret aus den Daten von 1961 bis 2007 - lasse sich allerdings ableiten, dass eine inverse Zinskurve dem Abschwung in den USA um durchschnittlich 16 Monate vorausläuft.

Das würde immerhin bedeuten, dass über Mitte 2020 hinaus noch keine rezessiven Tendenzen in den USA zu erwarten wären. Allerdings ist ungewiss, ob es auch dieses Mal so kommen wird. Für die Situation nach der Finanzkrise von 2008, wo die Notenbanken weltweit mit Nullzinsen und gigantischen Wertpapierkäufen gegengesteuert haben, gebe es keine Erfahrungswerte, so Müller.

Und auch Raiffeisen-Research-Analyst Valentin Hofstätter sieht noch Spielraum für weitere Aktien-Kursgewinne. Im historischen Durchschnitt sei der Markt nach der ersten Inversion nämlich noch 15 Monate lang weiter angestiegen - und zwar um durchschnittlich 28 Prozent: "Insofern könnte man die jüngste Kurveninversion genauso gut als sehr bullish auf Jahressicht interpretieren".

 

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Risiko raus, Sicherheit rein

Die Investoren in den USA und auch in Asien suchten am Montag vorerst das Weite, was sich in fallenden Aktien-Kursen widerspiegelte. Zugleich deckten sich Anleger in Europa verstärkt mit als sicher geltenden deutschen Staatsanleihen und der "Krisenwährung" Gold ein.

Evans, der den Notenbank-Bezirk Chicago leitet, rechnet bis zur zweiten Jahreshälfte 2020 mit keinen weiteren Zinserhöhungen in den USA. Sein Kollege Patrick Harker, Fed-Chef des Bezirks Philadelphia, hält heuer "höchstens" einen Schritt nach oben für möglich. "Ich bin weiter im Abwartemodus", betonte der Währungshüter in London.

Anders als Evans hat er dieses Jahr in dem über die Zinspolitik entscheidenden Offenmarktausschuss kein Stimmrecht. Evans betonte ebenfalls, es sei eine gute Zeit, eine vorsichtige Haltung einzunehmen, weil die US-Wirtschaft immer noch stark sei. Mit Blick auf die jüngst gekippte Zinskurve am Anleihenmarkt sagte er dem Sender CNBC am Rande einer Konferenz, er verstehe, dass Investoren wachsam und abwartend agierten. Die Fed handle auch so.

Schreckgespenst inverse Zinsen

Der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman kommentierte, dass er nicht daran glaube, dass ein einzelner Indikator eine Rezession prognostizieren könne. Allerdings fügte er hinzu: "Junge, dieses historische Muster ist schon stark."

Das Schreckgespenst des unter Fachleuten als "inverse Zinsstrukturkurve" bekannten Phänomens beschäftigt die US-Notenbank Fed bereits seit längerem: Schon Mitte vorigen Jahres hatten die Währungshüter mitten in der Zinserhöhungsphase eine breite Diskussion darüber geführt, ob sich anhand solcher Marktdaten Risiken für eine drohende Rezession ableiten ließen.

Damals war der Renditeabstand zwar abgeschmolzen, hatte sich aber noch nicht zugunsten der kurzlaufenden Zinsen umgekehrt. Eine Reihe von Fed-Führungsmitgliedern plädierte seinerzeit dafür, die Kurve weiter genau im Auge zu behalten. Zuletzt hat die Fed eine Leitzins-Pause eingelegt und signalisiert, angesichts der unsicheren Konjunkturaussichten 2019 stillzuhalten. Vor allem der Zollstreit zwischen den USA und China sorgt seit Monaten für Verunsicherung in der Wirtschaft.