Wohnen in Zonen: Gute Entwürfe erleichtern den Alltag daheim
Von Julia Beirer
Der Mensch braucht Abwechslung – so viel steht fest. Das gilt auch und gerade in den eigenen vier Wänden. „Wenn alles in einem Raum passiert oder passieren muss, ist es wichtig, verschiedene Szenarien zu kreieren“, ist Industrial Design-Studentin Kerstin Pfleger sicher. Damit dies gelingt, müssen Möbel vor allem eines sein: flexibel.
Wie das funktionieren kann, veranschaulicht die 22-Jährige im Rahmen einer Lehrveranstaltung an der Universität für Angewandte Kunst Wien vergangenes Jahr mit dem „Airchair“.
Er ist nicht größer als ein Blatt Papier und genauso flach – zumindest im unbenützten Zustand. Sobald die TPU-Folie (Kunststoff) entfaltet und mit einer Luftpumpe aufgeblasen ist, verwandelt sie sich in einen Hängesessel.
Nun muss der Laptop und somit das Arbeitspensum des Tages nur noch in einer Schublade verstaut und der Airchair an die Decke gehängt werden. Schon ist ein neues Szenario geschaffen. Es lautet: Feierabend.
Sudoku und Sport
Für jene, die der Homeoffice-Stress nicht ganz so schnell loslässt, hilft eventuell eine Runde Sudoku oder ein sportlicher Zwischenschritt, bevor im gemütlichen Sessel entspannt wird. Ersteres erstellt der Zeichenroboter Scribit. Dieser wird an einer beliebigen Wand fixiert, an der das Zahlenrätsel aufgemalt wird. Mit wasserlöslichen Stiften wird das Rätsel gelöst.
Wer danach Bewegung braucht, kann das Wohnzimmer in wenigen Handgriffen zum Fitnessraum umfunktionieren. Denn Yogamatte, Stepper und Hanteln nehmen entweder kaum Platz ein oder sind bereits zum Designerstück geworden.
„Die Geräte sollen im Wohnraum stehen bleiben können und nicht weggeräumt werden müssen“, sagt Lukas Jungmann. Gemeinsam mit Christoph Aschaber leitet er das Designstudio Aberjung in Osttirol.
Die beiden haben mit dem „Wobbler“ ein Fitnessgerät entworfen, das durch die Kreisbewegung einer Acht den Körper trainiert und regeneriert. „Eine Minute auf dem Wobbler benötigt gleich viel Muskelkraft wie 1.000 Schritte“, erklärt Jungmann.
Optisch ist das Gerät in verschiedenen Materialvarianten erhältlich. Holz ist darunter eines der ungewöhnlichsten. „Wir mussten das Holz behandeln, damit es nach dem Sport auch entsprechend gereinigt werden kann.“ Nun passt sich der Entwurf der individuellen Einrichtung an.
Das Aberjung-Duo ist überzeugt, dass Design immer dienlich sein soll, trotzdem könne der optische Effekt das Wohngefühl nach oben korrigieren. Jungmann: „Gerade in Ballungszentren ist der Wohnraum begrenzt.
Trotzdem soll man sich darin voll ausleben können.“ Das gelingt durch multifunktionales Design. Allerdings ist der Grat schmal: „Der Entwurf darf nicht gezwungen aussehen, es soll kein Wohnwagen entstehen, bei dem die Dusche auch das WC ist.“
Einfluss auf die Zukunft
Der Einfluss des Coronavirus auf die Designkultur geht laut Thomas Feichtner, Institutsleiter Product and Transportation Design an der FH Joanneum, in mehrere Richtungen: „Design wird ehrlicher und funktionaler.“
Er empfiehlt, Möbel umzustellen, um neue Blickwinkel zu schaffen. „Wir haben den Anzug gegen die Jogginghose getauscht und genauso findet der Ledersessel, in dem man sich am wohlsten fühlt, wieder Platz.“
Auch der Blickwinkel der Designer wird sich laut Feichtner verändern: „Als Gestalter stellt sich nun weniger die Frage, was für den Weltmarkt entworfen werden kann, sondern wo die Aufgaben in meiner Stadt, meinem Bezirk und meinem Freundeskreis liegen.