Kühlen ohne Strom mit dem Erdkeller
Im Grunde ist er ein cooler Typ. Ein Multitalent mit geheimnisvoller Ausstrahlung, optisch wandelbar, verlässlich und ebenso traditionsbewusst wie zeitgemäß. Ein Naturkeller, der idealerweise im eigenen Garten unter der Erde liegt. Seine Bestimmung lässt sich am besten mit einer externen Speisekammer samt hervorragenden Eigenschaften beschreiben. Einst wie heute. Vorausgesetzt, dieser naturkühle Lagerraum wird richtig gebaut und beherbergt Lebensmittel, die ein feuchtkühles, frostfreies Klima mit einer niedrigen Luftzirkulation mögen. Und das sind immerhin viele: etliche heimische Obst- und Gemüsesorten, Kartoffeln sowie Eingemachtes, Säfte, Blumenknollen oder Wein.
Aufbewahren ganz ohne Strom
Viele Hobbygärtner haben diese jahrhundertealte Öko-Variante der Aufbewahrung von Lebensmitteln für sich wiederentdeckt. Gut gebaut hält ein Naturkeller ohne Strom die Raumtemperatur das ganze Jahr bei durchschnittlich zwölf Grad (je nach Beschaffenheit, Tiefe und Erdreich). Dadurch kommt der Reifeprozess von Gemüse und Obst fast zum Stillstand, es trocknet nicht aus und bleibt lange frisch. Leider sind echte alte Erdkeller im eigenen Garten eine Seltenheit. Wer dennoch über eine solche Schatzkammer verfügt, braucht meist einen Fachmann, um diese zu sanieren und so möglichst in ihrer ursprünglichen Form, allerdings den modernen Anforderungen entsprechend, zu erhalten.
Erdkeller restaurieren
Reinhard Bayer ist so ein rarer Experte, der dieses handwerkliche Können beherrscht. Allein im niederösterreichischen Weinviertel hat er bereits zahlreiche Erdkeller restauriert und für die Besitzer wieder nutzbar gemacht. „Die Erhaltung dieses Kulturguts ist mir ein besonderes Anliegen. Es erfordert viel Erfahrung und Know-how, da es sich um eine besondere Bautechnik handelt.“ Ursprünglich waren es einfache Erdhöhlen, später wurden sie aus witschaftlichen Gründen als Gewölbekeller aus Steinen gebaut, noch später errichtete man sie aus Ziegeln. So ist auch unser Kulturgut, die Kellergassen, entstanden. Jedenfalls verfügt ein „unterirdischer Kühlschrank“ traditionellerweise über einen unversiegelten Boden aus Lehm oder Erde. „Einen solchen begehbaren Erdkeller neu zu bauen, rentiert sich für reine Lebensmittel-Lagerung nicht“, sagt Bayer.
Moderne Varianten
Das Projekt wäre viel zu aufwendig und kostspielig. Wer dennoch einen Naturkeller realisieren möchte, sollte sich eingehend beraten lassen. Schließlich gilt es bei der Errichtung einiges zu berücksichtigen, um die richtige Temperatur, Feuchte und Luftbewegung zu erreichen und darüber hinaus ganzjährig einen witterungsbeständigen Zugang zu haben. Wer ein kleineres Budget zur Verfügung hat (ab ca. 5.000 Euro ohne Bauarbeiten vor Ort), kann auf einen der vielfältigen Fertigteil-Modelle zurückgreifen.
Per Lkw geliefert
Statt Steinen und Ton kommt z. B. glasfaserverstärkter Polyesterrahmen, spezieller Kompositwerkstoff oder schlicht Beton zum Einsatz. Ein solcher Neo-Erdkeller wird meist per LKW geliefert und in einen natürlichen Hügel eingebaut oder am Grundstück unter aufgeschüttetem Erdreich versteckt. Nordhang bevorzugt.
Vorratskammer oder Weinkeller
Aber auch hier gilt: Damit diese Art Vorratskammer oder der private Mini-Weinkeller hält, was er verspricht, ist es ratsam, sich – je nach Zweckbestimmung und Grundbeschaffenheit – mit der Bautechnik dahinter genauer zu beschäftigen und die Anforderungen unter die Lupe zu nehmen. Das tat übrigens auch Claudia Lorenz-Ladener. Der reichhaltige Ertrag zweier Apfelbäume in ihrem Garten regte die studierte Architektin an, sich mit dem Thema Naturkeller auseinanderzusetzen. Ihre Erkenntnisse, Anleitungen und viele hilfreiche Tipps finden sich in ihrem Buch wieder.
In ihrem Buch „Naturkeller“ erklärt die studierte Architektin Claudia Lorenz-Ladener anhand vieler Beispiele, worauf beim Neu- oder Umbau zu achten ist. Ökobuch Verlag, 138 Seiten, € 20,50
Nicht selten werden alte Erdkeller mit traditionellem Ziegelgewölbe mühsam saniert. Viele der unterirdischen Schatzkammern, deren Gänge meterlang in die Tiefe gehen, erleiden Schäden durch Wassereintritt oder Erdaustrocknung aufgrund der Klimaerwärmung. Dann müssen Erd- und Weinkeller-Spezialisten heran, um die Bauwerke vergangener Zeiten doch noch zu retten. Viele, die über ein solches handwerkliches Können verfügen, gibt es in Österreich nicht mehr . Einer der wenigen ist Reinhard Bayer aus dem Weinviertel. „Die Leidenschaft zum Weinkellerbau besteht seit meiner Jugend, mein erster Bauplan war der Weinkeller meiner Eltern“, erzählt der innovative Baumeister. Er hat den außergewöhnlichen „Austrian Wine Cellar“ konzipiert – einen Fertiggewölbeweinkeller, der sich im Garten ebenso wie in einem oberen Stockwerk eines Gebäudes einbauen lässt. Mehr Infos: www.austrian-wine-cellar.com -Susanna Sklenar