Wirtschaft/Immo

Johannes Baar-Baarenfels über Architektur mit Mehrwert

KURIER: Ihr Projekt „Wohnhaus für einen Erdöl-Ingenieur“ wurde kürzlich mit dem European Property Award ausgezeichnet, wie kam es zu der Idee des Atriumhauses?
Johannes Baar-Baarenfels: Die Idee, den Hofbau neu zu interpretieren, entstand auch aus Erfahrungen der Bauherren mit dem Wohnen in arabischen Ländern. Diese vergessene Typologie, die in ganz Europa verbreitet war, zeigt klare Vorteile gegenüber dem „modernen“ Einfamilienhaus.

Zum Beispiel?

Die Atrium-Bauweise erlaubt Dichte, schafft so urbane Räume und bietet dennoch ein Maximum an Privatsphäre, visuell und akustisch. Und zudem bringt eine dichte Verbauung auch Ersparnis aus ökonomischer und ökologischer Sicht. Im Gegensatz zum Einzelobjekt habe ich keine Abstrahlflächen und somit automatischen Wärmeschutz. Denn Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, ein Gebäude mit Vollwärmeschutz zu verkleiden, um weniger Heizkosten zu erzeugen, sondern auch darüber hinauszudenken: Was lernen wir aus den alten Strukturen?

Kann man aus jedem alten Haus ein Energiehaus heutigen Standards machen. Also auch Niedrigenergie und Passivhaus?

Das ist immer möglich. Wichtig ist nur, auf die Gegebenheiten zu achten. Eine alte, charmante Fassade kann ich natürlich nicht außen dämmen, dann wäre sie tot. Dafür gibt es Innendämm-Systeme, die zwar teurer sind, aber dann eben notwendig. Prinzipiell ist alles machbar.

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Was macht den Reiz aus, an etwas Bestehendem, Alten zu arbeiten und daraus etwas Neues zu schaffen?

Im Prinzip ist für einen Architekten der Neubau natürlich spannender. Weil man will sich ja ganzheitlich ausdrücken. Das gilt auch für mich. Im Zuge meiner Laufbahn hatte ich aber die Chance, das Palais Rasumofsky umzubauen. Und diese Herausforderung hat viel in Gang gebracht. Wir haben uns mit dem Denkmalschutz auseinandergesetzt. Die Ambition war, die nichtauthentischen Teile der Nachkriegszeit zu entfernen und gemäß den wahren Prinzipien des Denkmalschutzes authentisch zu ersetzen. Der bedeutet nämlich nicht das Nachahmen von Geschichte. Das wäre ja Verfälschung und würde einer Disney-World-Interpretation gleich kommen. Sondern Altes mit der höchsten Qualität, die die heutige Zeit hergibt, in ein positives Verhältnis zu bringen. Damit ist die Bedeutung dieses historischen Gebäudes erhalten und das auch für die nächsten zweihundert Jahre. Für den Umbau erhielten wir 2013 den World Architecture Festival Award in Singapur.

Wie sieht es preislich aus: Ist Renovieren vergleichbar mit Neubauen?

Das Umbauen des Altbaus kann fast gleich teuer sein, Renovieren könnte günstiger sein, wenn der Zustand es erlaubt. Aber dann bewegt man auch nicht so viel. Der wirkliche Umbau, wo es um die Substanz geht, da kann man auf jeden Fall mit dem Neubaupreis rechnen. Ergibt aber natürlich Einschränkungen und ist auch mühsamer. Da muss man abwägen: Hat das Objekt einen kulturellen, persönlichen oder bauhistorischen Wert?

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Wie ist die Herangehensweise – haben Sie eine Idee und suchen dazu das passende Objekt oder umgekehrt?

Man sieht es hier im Büro. Wir stellen keine unserer Arbeiten aus. Ich möchte jedes Projekt ganz frisch, frei, neu denken. Sozusagen, fast mit einer naiven Neugierde. Mit all dem Wissen, das sich akkumuliert, aber ohne Wiederholungen. Wir lassen uns auf den Ort, auf die Wünsche, Begebenheiten, die Bauherren ein. Wie ein parametrisches Konvolut, das man aufnimmt und aus dem heraus etwas macht. Deswegen entsteht ein Projekt immer vor Ort.

Wie wirkt sich die Pandemie auf die Architektur aus?

Covid-19 hat der Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten. Auf das Bauen beschränkt, sieht man, wie hohl manch propagierter Trend ist. Kleinste Wohneinheiten auf der einen Seite, Maximieren auf der anderen, alles wird jetzt radikal infrage gestellt. Wenn wir zu Hause eingesperrt sind, ist engster Wohnraum nicht genug. Das hat desaströse Auswirkungen.

Welche sind Ihre wichtigsten Werte beim Planen? Oder der Motor, mit dem Sie an eine Arbeit gehen?

Am wichtigsten ist mir, dass man einen Wert kreiert, der berechtigt, was man zerstört hat. Wenn das Werk Bedeutung hat, dann ist neu bauen auch gerechtfertigt. Bauen ist kulturell und als Sozialaspekt zu sehen. Die Gefahr ist oft: wir alle wollen den Blick auf die schöne Stadt. Aber ist das, was man selber dorthin stellt auch würdig eines Blickes? Ich finde, diese Balance sind wir den nächsten Generationen schuldig.

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