Wirtschaft/Immo

Coronakrise: Architekten in der Warteschleife

„Jetzt ist es still“, sagt Helmut Dietrich von Dietrich Untertrifaller Architekten. Seit zwei Wochen sitzt er fast allein im 800 Quadratmeter großen Bürogebäude in Bregenz. „Insgesamt sind wir hier zu fünft, unsere Arbeitsplätze haben aber so viel Abstand zueinander, dass wir uns weder sehen noch begegnen.“

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Vor drei Wochen haben sich am Vorarlberger Standort noch 45 Mitarbeiter um Besprechungstische, Zeichenpläne, und physische Modelle gedrängt. Auch in den Büros Wien, St. Gallen, Paris und München zeichnet sich dasselbe Bild: „Unsere 110 Mitarbeiter haben ihre CAD-Stationen mit nach Hause genommen, um von dort aus zu arbeiten.“

Noch sind keine Auftraggeber abgesprungen und somit ist auch niemand in Kurzarbeit. „Unsere Bauherren sind guten Mutes und machen Druck, dass wir uns ranhalten. Ich würde aber nicht darauf wetten, dass das in drei Monaten noch immer so ist.“

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Auch Katharina Bayer vom Wiener Büro einszueins Architektur sieht die Branche (noch) positiv gestimmt. Trotzdem machen sich Existenzängste breit, die vor allem kleine Büros betreffen. „Wir selbst sind in einem Jahr mit vielen Baustellenprojekten, die – wenn überhaupt – nur verzögert vorangetrieben werden können.“

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Besonders bitter: einszueins Architektur befindet sich in einem Akquisejahr. Bayer erklärt: „Wir als Architekturbüro werden die Krise hoffentlich überleben, aber unsere Bürogröße von 25 Mitarbeitern können wir nur halten, indem wir neue Aufträge lukrieren und das ist momentan sehr schwierig.“

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Branche in prekärer Situation

Die Branche befindet sich zudem in einer prekären Situation: Architekten arbeiten meist auf Werkvertragsbasis. Das heißt: Erst mit dem fertigen Entwurf (dem geschuldeten Werk) erfolgt die Bezahlung. Während der Planung sind Architekten also in Vorleistung.

Bayer: „Derzeit müssen wir viel bezahlen, ohne zu wissen, wann und ob wir dafür Geld bekommen.“ Zudem sei die Gewinnspanne nicht hoch. Die Architektin: „Wir haben 85 Prozent Personalkosten, die aus dem laufenden Betrieb finanziert werden.“

Homeoffice herausfordernd

Neben der existenziellen Belastung, ist auch der Arbeitsablauf im Homeoffice herausfordernd. Darin sieht Wolf D. Prix, Gründer des Architekturbüros Coop Himmelb(l)au ein Problem: „Die Architektur hat einen hoch konzentrierten kreativen Workflow, der in Videokonferenzen nicht wie im persönlichen Kontakt entstehen kann. Empathie und Emotionen gehen verloren.“

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Zudem benötigen digitale Meetings mehr Zeit als der indirekte Austausch im Büro. Mit einem Drittel beziffert Erich Bernard von BWM Architekten diesen Mehraufwand. „Mein Tag ist noch dichter geworden. Was früher eng geplant war, geht sich dieser Tage kaum noch aus.“

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Außerdem geht der Zufallsmoment verloren. Bernard: „In diesen Konferenzen treffe ich nur selten Menschen, die ich noch nicht kenne.“ Gelegentliche Gespräche über die Branche und zukünftige Projekte sind derzeit de facto inexistent.

Vorteile der Coronakrise

Trotz der vielen Nachteile digitaler Meetings sieht Helmut Dietrich darin auch eine Chance für zukünftige Entwicklungen. „Nicht alle Geschäftsreisen sind nötig. Das wird derzeit sehr deutlich.“ Er selbst hat diese Woche erstmals ein Projekt via Skype präsentiert.

Positiven Einfluss könnte die Corona-Krise auch auf die architektonische Gestaltung haben. Dietrich: „Ich hoffe, dass die Architektur Quaratäne-fester wird. Wohnungen sollen nicht nur Schlafunterkünfte sein.“ Der Architekt könnte sich auch vorstellen, dass das Thema Wohnen „wichtiger wird, als die Fernreise oder das Auto“. Stichwort: Urlaub zu Hause.

Auch Erich Bernard sieht eine Veränderung im Wohnbau voraus: „Dieser könnte sich in Richtung einer seriellen Fertigung entwickeln, der kostengünstiger und schneller errichtet werden kann.“ Außerdem wird nach der aktuellen Erfahrung die Nähe zu Infrastruktur noch wichtiger werden.

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Einen Blick in die Zukunft könnten die derzeitigen Entwicklungen in China weisen. Wolf D. Prix realisiert Projekte in Arabien, Russland und China: „Die Bauwirtschaft hat sich dort sofort erholt. Es ist kein Unterschied zu früher spürbar.“ Ob das in Österreich auch gelingen wird, wagt Prix allerdings nicht zu prognostizieren.

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