Betreutes Wohnen forcieren: Es landen zu viele im Pflegeheim
Von Ulla Grünbacher
In den kommenden Jahren wird sich das Senioren-Wohnproblem durch die „Baby-Boomer-Generation“ weiter verschärfen, wenn nicht massiv gegengesteuert wird. Auf dieses Thema macht Walter Eichinger, Geschäftsführender Gesellschafter der Silver Living Gruppe und Vorsitzender des Normungskomitees „Betreutes Wohnen“, im Gespräch mit dem KURIER aufmerksam.
Neubau und Umbau
Betroffen seien vor allem der Neubau von altersgerechten Wohnungen, aber auch den Umbau von bestehenden Wohnungen zu Senioren-Wohnungen. Aktuell bestehe ein Versorgungsdefizit von 10.000 Wohneinheiten allein in Wien. „Österreich braucht einen Masterplan – den gibt es jedoch nicht“, betont Walter Eichinger.
Fitte Menschen ab 60
Best Ager (Menschen ab rund 60 Jahren) mit hoher Selbstständigkeit und keiner oder niedriger Pflegestufe würden zu oft in Pflegeeinrichtungen landen, kritisiert Eichinger. Der Grund: Es sind nicht ausreichend adäquate Wohnungen vorhanden.
Betreutes Wohnen günstiger als Pflegeheim
Betreutes Wohnen sei im Vergleich zum Pflegeheim um zumindest mehr als die Hälfte günstiger. Laut einer Statistik aus dem Jahr 2019 betrugen die Bruttoausgaben für stationäre Betreuungs- und Pflegedienste pro Person und Jahr in Österreich durchschnittlich 35.300 Euro. Im Gegensatz dazu waren es in betreuten Wohnungen brutto 7.900 Euro im Jahr. Die Kosten für mobile Dienste, die mit dem Betreuten Wohnen kombiniert werden können, kämen auf rund 4.400 Euro, jene für mehrstündige Alltagsbegleitung und Entlastungsdienste auf rund 3.000 Euro.
Gute Lagen gesucht
Mehr seniorengerechte Wohnungen zu bauen, sei die Herausforderung des Jahrzehntes. Heuer werden 1.500 Seniorenwohnungen in Österreich errichtet. Woran es liege, dass nicht mehr betreute Wohneinheiten errichtet werden? „Es scheitert an geeigneten Liegenschaften. an den Genehmigungsverfahren und am Förderdschungel“, bringt es Walter Eichinger auf den Punkt.
Ausstattung barrierefrei
Wichtig sei die Lage der Projekte, denn öffentliche Verkehrsmittel und die wichtigste Infrastruktur müsse in wenigen Minuten erreichbar sein. Die Wohnungen selbst sind altersgerecht ausgestattet, verfügen über einen barrierefreien Zugang, einen schwellenfreien Ausgang auf Balkon, Garten oder Terrasse und ein rollstuhlgerechtes Badezimmer. Eine gute Gemeinschaft im Haus steht im Vordergrund und wird aktiv gefördert, da man sich so gegenseitig helfen kann.
Zu den Mietkosten kommen Pflegekosten
Die monatlichen Kosten für die Bewohner setzten sich aus den Mietkosten für die Wohnung und einem Basispaket an Betreuungsleistungen zusammen. Zusatzleistungen wie Mobile Pflege- und Betreuungsdienste, Essen auf Rädern und mehr müssen extra bezahlt werden. Ein Beispiel: In dem Grazer Projekt Arkadengarten (Bild) kostet eine 40 Quadratmeter große Wohnung 482 Euro Miete im Monat. Das Durchschnittsalter der Bewohner ist 67 Jahre.
Experte: Walter Eichinger
Die Silver Living Gruppe errichtet neue betreute Wohneinheiten vor allem in den Landeshauptstädten. In Wien kooperiert das Unternehmen mit gemeinnützigen und gewerblichen Bauträgern. Walter Eichinger wünscht sich, dass Zonen für Betreutes Wohnen im städtischen Raum geschaffen werden, wo die benötigte Infrastruktur bereits vorhanden ist. So könnte man Anreize für den Bau neuer Projekte schaffen.