Wirtschaft/Immo

Begehrte Wohnlage: Das Wiener Cottage, einst und heute

Damals, vor rund 150 Jahren, war die Wohnungsnot in Wien groß. Um leistbaren Wohnraum für die bürgerliche Mittelschicht zu schaffen, wurde eine Vision geboren: Nach dem Vorbild englischer Cottages, die Architekt Heinrich Ferstl 1850 bei der Weltausstellung in London kennengelernt hatte, wurden vom 1872 gegründeten Cottage Verein in der Wiener Vorstadt „an der Türkenschanze“ Familienhäuser mit Gärten initiiert.

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Familienhäuser mit Garten

Dazu wurden im heutigen Währing und Döbling Gründe aufgekauft und parzelliert. Die gerade verlaufenden Straßen wurden nach dem Vorbild der Ringstraße als Baumallee mit Grünstreifen geplant. Die Häuser selbst waren zweistöckig, das Verhältnis zwischen bebauter Fläche und Garten betrug 1:3. Die Häuser waren straßenseitig orientiert, davor ein kleiner Vorgarten, rückseitig die Gärten. Diese großen Gärten einer Baugruppe stießen aneinander, sodass ein großer grüner Park entstand. Dieses Recht auf Licht, frische Luft und Ausblick (ins Grüne) wurde den Bauherren im Rahmen der sogenannten Cottage-Servitute zugesichert.

Damals schon: Recht auf frische Luft und Aussicht ins Grüne festgelegt

Zur Absicherung des Anspruchs aller Eigentümer auf ein nach den Cottage-Prinzipien gestaltetes Gartenensemble wurde im Grundbuch auf allen Liegenschaften eine Dienstbarkeit (Servitut) mit gegenseitiger Wirksamkeit eingetragen, zusätzlich zu den in den Kaufverträgen vereinbarten Pflichten bezüglich der Art der Verwendung der Liegenschaft. Die Dienstbarkeiten sollten das harmonische Bild der Cottage-Anlage sicherstellen und bewahren. So sollte dafür gesorgt werden, dass „kein Cottage-Besitzer seinen Gartengrund durch spätere Bauten verunstalten und seinen Nachbarn den Genuss der frischen Luft sowie die Aussicht ins frische Grün nehmen kann“, schreibt Erich Stöger in dem soeben erschienenen Buch „Das Wiener Cottage. Der Traum vom gesunden Wohnen.“

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640 Häuser, Villen und Schlösschen

Soviel zu den Anfängen des Wiener Cottage. Heuer feiert der Wiener Cottage Verein 150-jähriges Jubiläum. Grund genug, sich anzuschauen, wie sich das Wiener Cottage mit seinen 640 Häusern seit seinen Anfängen entwickelt hat. Die Veränderungen haben 1930 begonnen, damals wurden die Cottage-Vorschriften in die Wiener Bauordnung umgewandelt, wie es Walter Rechberger,  emeritierte Professor für Rechtswissenschaften der Uni Wien, in seinem Vortrag im Rahmen des Symposiums zum 150-jährigen Jubiläum des Cottage Vereins beschreibt. Bereits damals seien einige der Servitute zum Erliegen gekommen, die zwischen den Grundeigentümern gegolten haben.

Bauen im Cottage-Stil

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Heute ist das Cottage sehr begehrt, nicht nur bei den Bewohnern, sondern auch Immobilienentwicklern, die hier große Chancen wittern, wenn Immobilien verkauft oder umgebaut werden. „Es ist ratsam, bei Bauverhandlungen auf das Servitut hinzuweisen“, so Rechberger. Die Nachbarn könnten bei der Verhandlung Einwendungen erheben. Wenn gebaut wird, dann müsse das im Cottage-Stil geschehen.

Über die Bausünden

Dennoch: Bausünden sind geschehen – und geschehen nach wie vor, wie Thomas Feiger, Präsident des Wiener Cottage Vereins, sagt. „Es ist zum Beispiel passiert, dass sich ein Grundeigentümer sein Servitut abkaufen hat lassen“, so Feiger. Aufzüge sind außen an Villen angebaut worden, das Erscheinungsbild wurde dadurch maßgeblich verändert. Doch eine Verbauung der Grünflächen stellt auch heute noch eine Verletzung des Gründungsgedankens und eine Missachtung der übrigen Eigentümer dar, schreibt Erich Stöger im Buch „Das Wiener Cottage. Der Traum vom gesunden Wohnen.“

Ensembleschutz würde helfen

Wie man so etwas künftig verhindern könnte? Durch eine nationale Unterschutzstellung des Cottage-Viertel, sagt Caroline Jäger-Klein, Architektur-Professorin an der TU Wien, im Rahmen des Symposiums zum 150-jährigen Jubiläum des Cottage Vereins. Dabei geht es nicht um einzelne Gebäude, sondern um das gesamte Ensemble. Sie empfiehlt, einen Gestaltungsbeirat ins Leben zurufen, der bestimmte Veränderungen im Cottage Viertel freigibt und Um- und Zubauten dirigiert.

Ausstellungen zum Jubiläum

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Thomas Feiger, dem Präsidenten des Cottage Vereins, ist es ein großes Anliegen, die Anzahl der Mitglieder des Cottage Vereins zu erhöhen. Nicht nur die Liegenschaftseigentümer, sondern alle Bewohner des Cottages können und sollen Mitglieder werden. Dazu will Feiger Familienmitgliedschaften einführen. Der Verein hat anlässlich des Jubiläums eine öffentlich zugängliche Fotoausstellung über das historische Cottage ins Leben gerufen, zu sehen seit 9. Juni am Türkenschanzpark. Auch das Bezirksmuseum Währing widmet eine Ausstellung dem Thema „150 Jahre Wiener Cottage“. Der Cottage Verein hat  für Mitglieder neue Emaille-Plakette herausgebracht,  sie kosten, € 40,-  und können am Gartenzaun angebracht werden. 

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Buchtipp

„Das Wiener Cottage. Der Traum vom gesunden Wohnen“, herausgegeben von  Heidi Brunnbauer und Erich Stöger, ist ein Nachschlagewerk über 150 Jahre Cottage. € 48,- 

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Buchtipp: 

„Das Cottage in Wien“ von Norbert Philipp über das luftige Ensemble aus kleinen Burgen, Mini-Schlösschen und Villen. Erscheint  im Braumüller Verlag, € 24,-

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