Gewerkschafter Hebenstreit: "Im ÖBB-Konzern beginnt die Panik"
Veraltete, nicht fahrtüchtige Züge, technische Probleme, Verspätungen und plötzliche Ausfälle: Die ÖBB haben ihre Fahrgäste in den vergangenen Monaten auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Im Osten Österreichs wird derzeit ein Notfallplan gefahren. Von Planungsfehlern und Personalmangel ist die Rede.
Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida, gibt Politik und Management die Schulnote 5: Beim Sparen sei man in den vergangenen Jahren über das Ziel hinausgeschossen. Die Zeche zahlen jetzt die Beschäftigten und die Fahrgäste.
"Im ÖBB-Konzern beginnt die Panik“, sagt er im Ö1-Morgenjournal am Freitag. "Jeder beginnt, sich auf Kosten des anderen Konzernteils zu optimieren, (....) jeder versucht, sich die anderen Ressourcen zu sichern."
Personalmangel lange kleingeredet
Das zentrale Problem sei der Personalmangel, der vom Management kleingeredet werde, so Hebenstreit: "Wenn man sich dafür rühmt, dass man Jahr für Jahr mit weniger Personal auskommt, als man ursprünglich geplant hätte, dann bekommt man irgendwann die Rechnung dafür."
Alle Eisenbahnberufe stehen mittlerweile auf der Mangelberufsliste, das ÖBB-Management ist diese Woche in Indien, um Eisenbahnfachkräfte nach Österreich zu holen. In die Lehrlingsausbildung sei zu wenig investiert worden: "Man spürt den Mangel an allen Ecken und Enden".
19.000 Beschäftigte gehen
Und das Problem spitzt sich zu. "Wir verlieren in den nächsten sechs Jahren 19.000 Beschäftigte. Das ist fast die halbe Belegschaft." Man hätte rechtzeitig vorsorgen können, etwa durch eine rechtzeitige Erhöhung der Ausbildungskapazitäten etwa für Lehrlinge, so Hebenstreit. "Das haben wir immer wieder eingefordert, aber es ist nicht passiert."
Stattdessen seien Entscheidungen zugunsten der Kostenreduzierung und der Wettbewerbsfähigkeit getroffen worden, „und das nimmt natürlich Flexibilität“.
Um neues Personal zu gewinnen, brauche es attraktivere Arbeitsbedingungen. "Die ÖBB ist das einzige Unternehmen im Bahnsektor, das ausschließlich nach Kollektivvertrag bezahlt. Man wird sich auch über Arbeitsbedingungen und Löhne unterhalten müssen, um die Menschen zu bekommen, die es braucht."
Bei der nächsten Aufsichtsratssitzung werde man dafür sorgen, dass Topmanager keine Boni erhalten, "weil für schlechte Noten kann es keine Zuckerl geben", so Hebenstreit.