Wirtschaft

Frühe Blüte oder doch Frostbeulen?

„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche“, heißt es in Goethes Osterspaziergang. Der Frühling hält in Österreich unübersehbar Einzug. Schon früh standen heuer die Marillenbäume in der Wachau in voller Blüte. Frühsommerliche Temperaturen laden zum Sonnenbaden ein – zumindest an einzelnen Tagen.

Die Parallele zu den Finanzmärkten ist offenkundig. Mit Ende Dezember 2018 hatten die Aktienmärkte eine rund dreimonatige Eiszeit überwunden. Je nach Börsenplatz konnten seither die aufgelaufenen Kursverluste – oder zumindest ein erklecklicher Teil davon – wieder wettgemacht werden.

Setzt sich das Frühlingserwachen fort? Oder droht eine Rückkehr der „Eisheiligen“, welche die Hoffnung auf eine reiche Ernte vernichten?

Optimistische Sorgenfalten

Die wirtschaftliche Ausgangslage ist vieldeutig, die Experten stellen sich auf größere Kurs-Schwankungen ein. Die weltweiten Wachstumsraten haben sich eingebremst. In Europa sind die Bremsspuren deutlich, hier werden die Prognosen kräftig nach unten korrigiert. In den USA verursachte jüngst eine außergewöhnliche Zinsentwicklung, die in der Vergangenheit ein untrügliches Rezessionssignal war, Sorgenfalten.

Die Gefahr einer schrumpfenden US-Wirtschaft zeichnet sich aber weder in den Unternehmensbilanzen noch in den Konsumdaten ab. Im Gegenteil: Mohamed El-Erian, Berater der Allianz, traut der US-Wirtschaft heuer sogar 2,5 bis 3 Prozent Plus zu. Das wäre ein Wachstum wie 2018. Und das, obwohl das Strohfeuer der Steuerreform bereits vorbei ist.

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"Wir hatten zuletzt Anfang 2018 etwas Risiko aus dem Portfolio herausgenommen, seither aber nichts mehr verändert."

Friedrich Strasser, Bank Gutmann

Europas große Volkswirtschaften können von solchen Zuwachsraten nur träumen. Die Investment-Profis sehen aber dennoch gute Veranlagungschancen. Die Bank Gutmann etwa hatte die stürmischen Dezember-Tage quasi ausgesessen und der Versuchung widerstanden, den Veranlagungsmix umzudrehen.

„Wir hatten zuletzt Anfang 2018 etwas Risiko aus dem Portfolio herausgenommen, seither aber nichts mehr verändert – auch nicht im Dezember, weil wir keine fundamentalen Gründe für die Kursreaktionen erkennen konnten“, sagt Friedrich Strasser, Partner und Vorstandsmitglied der Bank. „Das ist glücklicherweise die richtige Entscheidung gewesen.“

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Die Wachstumsprognosen für den Euroraum, welche die Europäische Zentralbank jetzt mit 1,1 Prozent ansetzt, seien „in Ordnung, das ist nichts, was Panik auslösen sollte“, sagt Gutmann-Chefökonom Andreas Auer.

Den Zeitpunkt, wann sich die Märkte drehen, zu erraten, sei ohnehin unmöglich. Deshalb lautet der Tipp, verstärkt einzelne Titel unter die Lupe zu nehmen und drauf zu achten, dass man Aktien von Unternehmen mit überzeugenden Geschäftsmodellen ins Körberl holt.

Gut abgesichert

Bei den Anleihen sollte aktuell Sicherheit bevorzugt werden, auch wenn man so auf Erträge ganz verzichten muss – das heißt, der Griff sollte zu soliden Staatsanleihen aus Deutschland, Österreich oder Niederlande gehen. Und was ist mit den politischen Unsicherheitsfaktoren wie dem Brexit? „Das Thema wird von den Märkten gefühlt eher ignoriert“, sagt Strasser.

„Das Thema Brexit wird von den Märkten gefühlt eher ignoriert."

Andreas Strasser, Bank Gutmann

Es gebe kein Szenario, das man  einpreisen könnte. Somit lasse der Brexit die Märkte eher kalt, zumindest für den Moment. Für die Briten seien die Folgen des EU-Austritts sehr wohl spürbar. Viele Bankverträge seien schon umgeschrieben worden, machen künftig einen Bogen um die Insel. Und auch für eine Pfund-Aufwertung fehlten gute Argumente.

Der KURIER hat mit Fondsmanagern, Investment- und Anlageexperten gesprochen. Lesen Sie hier ihre Ratschläge:

„Alles besser als Sparbuch“

Raiffeisen-KAG-Vorständin Szeiler rät zu Streuung

Anleger, die mehr Geld als die nötige Liquiditätsreserve am Sparbuch liegen lassen, sind seit Langem die großen Verlierer – und sie werden es auch noch lange bleiben. Wenn man Mario Draghis Worten glaubt, wird der Chef der Europäischen Zentralbank alles daran setzen, dass die Zinsen tief bleiben.

„Anleger müssen diversifizieren. Denn es gibt immer bessere Investments als das Sparbuch“, sagt Ingrid Szeiler, Vorständin der Raiffeisen Kapitalanlagegesellschaft.

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Sie rät Privatanlegern grundsätzlich dazu, längerfristig zu denken. Denn kurzfristig seien die Entwicklungen am Anleihen- und Aktienmarkt nicht vorherzusagen. „Wer hätte gedacht, dass die Verluste des vierten Quartals 2018 im ersten Quartal 2019 wieder aufgeholt werden?“, fragt Szeiler.

Heuer ist Vorsicht angebracht

Szeiler glaubt, dass die Börsianer heuer „alles mit der rosaroten Brille“ sähen. Die ersten Monate des Jahres hält sie für eine Ausnahmeerscheinung. Denn immerhin gebe es mit Blick auf Brexit oder Italien jede Menge Risiken für die Kapitalmärkte. Dass Anleger all das derzeit so entspannt sehen, verwundert sie. Szeiler rät eher zur Vorsicht, Anleger sollten sich durchaus Anleihen ins Depot legen.

Wenn nämlich einmal Angst an die Märkte zurückkehre, würden Anleihekurse steigen. Rentenpapiere sind aus ihrer Sicht eine Art Versicherung fürs Depot. Im ersten Quartal haben sogar risikoarme Anleihen einen Ertrag abgeworfen. „Das hätte sich im Jänner noch niemand gedacht“, weist Szeiler auf die aktuell nicht prognostizierbare Entwicklung der Kapitalmärkte hin.

Gut gemischt, ist halb gewonnen

Fazit: Anlagekategorien mischen und langfristig denken – frei nach dem Motto des ehemaligen Börsengurus Andre Kostolany: „Kaufen Sie Aktien und dann eine große Dosis Schlaftabletten. Nach vier Jahren, wachen Sie als reicher Mensch wieder auf.“

Raiffeisen-Expertin Szeiler kann zwar keinen Reichtum versprechen, aber immerhin auf erkleckliche Erträge in den vergangenen zehn Jahren verweisen: Der Raiffeisen Active-Aktien hat jährlich 11,01 Prozent Rendite gebracht, der Wachstumsfonds 8,29 Prozent und der gemischte Nachhaltigkeitsfonds 7,62 Prozent. Sogar der auf Sicherheit ausgerichtete, Raiffeisen-Fonds im Durchschnitt  4,63 Prozent.

„Massive Warnung vor Immobilien-Investments“

Fondsmanager Klaus Umek rät Anlegern, sich einen vertrauenswürdige Vermögensverwaltung zu suchen

Wer sich auf der Suche nach höheren Renditen derzeit zum Kauf von Vorsorgewohnungen oder einfach Immobilien zum Vermieten verleiten lässt, ist auf dem Holzweg. „Ich warne massiv davor“, sagt Fondsmanager Klaus Umek, Gründer und Miteigentümer der Investmentgesellschaft Petrus Advisers. Immobilien seien eine Veranlagung mit hohen Nebenkosten und nichts anderes als ein Rezept zum Verlieren von Geld.

Auch andere – oberflächlich betrachtet attraktive – Veranlagungen wie Tech-Aktien, Gold oder Kryptowährungen hält Umek für keine gute Idee. „Finger weg davon“, lautet sein Rat.

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Auch ein Blick in die weite Ferne nach China, die Türkei, Russland  oder Lateinamerika bringe nichts. Wer könne diese Länder schon verstehen? Was bleibt dann also für den renditehungrigen Anleger? „Schuster bleib’ bei deinem Leisten“, lautet die Devise von Umek.

Also Aktien. Klar, aber in Regionen, die man verstehe. Österreich, Deutschland, Mitteleuropa. Da gebe es genug interessante Veranlagungsmöglichkeiten zum Verdienen von Geld. Das wirtschaftliche und politische Umfeld sei aber derzeit riskant. Einfach nur einen Index zu kaufen und auf Erträge zu warten, sei keine gute Idee.

Und selbst nach attraktiven Einzelaktien zu suchen, empfiehlt Umek auch nicht. „Am besten ist, der Anleger geht zu einem vertrauenswürdigen Vermögensverwalter. Der mag zwar einiges kosten, aber meist bleiben noch gute Renditen  für den Anleger übrig.“

Geschützt mit „shorts“

Umek selbst  setzt in seiner Fondsgesellschaft auf Hedge-Fonds. Aktien werden grundsätzlich über shorts abgesichert. „Damit rauscht man in schlechten Zeiten weniger nach unten. Wenn es an den Börsen nach oben geht, sind wir aber voll dabei“, erklärt der Fondsmanager. Aktien erwerben die Petrus-Advisers-Experten derzeit „sehr selektiv“.

In Wien gefallen Umek Wienerberger und RBI. Vorsichtig ist er bei der Erste Group. Ab 1000 Euro können Anleger in Petrus-Advisers-Fonds investieren.

„Lieber in kleinen Portionen investieren“

Erste-Bank-Anlageexperte Kaller rät zu Aktien, der Einstiegs-Zeitpunkt aber ist unsicher

Aktien. Was sonst? „Angesichts der extrem tiefen Zinsen für Anleihen und Sparbücher kommen Anleger an Aktien nicht vorbei“, sagt Markus Kaller, Anlageexperte der Erste Bank. Trotzdem würde er Kunden nicht raten, alles in Aktien zu investieren. „Anleihen bringen höchstwahrscheinlich zwar keinen Ertrag, sie sind aber ein stabilisierendes Element im Portfolio“, lautet sein Rat.

Nur wer sich ins Hochrisikosegment der Rentenwerte wage, könne auch höhere Renditen erwarten – allerdings auch mit Absturzgefahr. Da geht es um Anleihen mit schlechtem Rating, Titel von Unternehmen, deren Aussichten eben mit viel Unsicherheit umgeben sind. Diese Art von Unternehmensanleihen ist für Kaller aber ohnehin nicht das stabilisierende Element im Portfolio. Er meint eher deutsche oder österreichische Staatsanleihen.

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Hier sei die Verlustgefahr minimal,die Gewinnchance aber ebenso klein. Null Ertrag also. Warum sollte ein Anleger sich darauf einlassen, wenn er noch dazu Gebühren zahlen muss?
Erstens, sagt Kaller, wisse man nie genau, wie sich die Titel entwickeln.

2018 hätte kaum jemand gedacht, dass man mit Anleihen Geld verdienen könne, es war  aber so. Und zweitens sei im Fall von Krisen das Absturztempo bei Anleihen geringer. Dennoch sollten Anleihen nur ein Teil der Veranlagung sein. Ein Teil sollte in Aktien wandern.

Viel Unsicherheit

Da heuer die Risiken groß seien und der beste Einstiegszeitpunkt nicht zu erraten sei, empfiehlt Kaller in Tranchen zu investieren. Da sei die Chance besser, einen guten Einstiegszeitpunkt zu erwischen. Immerhin sei derzeit nicht absehbar, wie sich ein Brexit auf die Börsen auswirke oder was mit Italien passiere, ob der Handelskrieg USA-China weitergehe oder Trump irgendwo in der Welt zündle.

Für Anleger, die all diese Sorgen plagen, hat Kaller ein Produkt parat – den regionalen s Anlagemix: ein Fünftel Wohnbauanleihen, ein Fünftel österreichische Unternehmensanleihen und drei Fünftel regionaler Mischfonds.