EU-Wiederaufbaufonds könnte zu spät kommen
Nach dem EU-Gipfel sind viele Details des geplanten Wiederaufbaufonds noch umstritten. Die EU-Kommission soll nun in den nächsten Wochen zunächst den konkreten Finanzbedarf ermitteln. Gefordert werden wegen der Coronavirus-Krise teilweise Summen von mindestens einer Billion Euro. Ökonomen kritisierten am Freitag aber, das Geld werde zu spät kommen, um die schwere Rezession heuer zu bekämpfen.
Der Fonds soll mit den Verhandlungen über den EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 verknüpft werden. Das bedeute aber, dass es viel zu lange dauere, bis er wirken könne, sagte Friedrich Heinemann vom Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW. "Es ist gut möglich, dass nennenswerte Volumina erst ab 2022 und später fließen, wenn sich Europa ohnehin bereits erholt." Rasche EU-finanzierte Schecks für finanzschwache Mitgliedstaaten wäre der schnellere und einfachere Weg, um sich gegen den wirtschaftlichen Einbruch zu stemmen.
Politisch umstritten
Umstritten in der EU ist weiterhin, wie sich der Wiederaufbaufonds refinanzieren soll und ob er Mittel als Zuschüsse verteilt oder als zurückzuzahlende Kredite. "Ich gehe davon aus, dass es eine Mischung aus den verschiedenen Möglichkeiten sein wird", sagte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz im Deutschlandfunk. Es gehe jetzt darum, am Anfang des Mittelfrist-Haushalts der EU Geld zu stauen, um verstärkt investieren zu können.
Vor allem aus dem Süden Europas kamen zuletzt Forderungen nach direkten Zuschüssen und eine Finanzierung des Fonds über gemeinsame Schulden, sogenannte Euro-Bonds beziehungsweise Corona-Bonds, oder sehr lang laufende Anleihen. Denn Italien und Spanien, die besonders stark von der Pandemie betroffen sind, schieben riesige Schuldenberge vor sich her und haben deswegen vergleichsweise wenig Spielraum. Der italienische EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte am Freitag, es müsse Zuschüsse und Kredite mit einer Laufzeit von bis zu 40 Jahren geben. Das Geld werde schnell benötigt, nicht erst in zwei Jahren, sagte er in einem Radio-Interview.
Soforthilfe ab Juni
EU-Industriekommissar Thierry Breton sagte dem französischen TV-Sender France 2, die europäische Wirtschaft werde dieses Jahr um 7,5 Prozent schrumpfen. Sollte es eine zweite Infektionswelle geben, könne es auch noch schlechter werden.
Als Soforthilfen haben die europäischen Regierungen ein 500 Milliarden Euro schweres Hilfspaket geschnürt - mit Förderkrediten für kleine und mittelständische Unternehmen, Kreditlinien aus dem Rettungsfonds ESM für Regierungen und einem europäischen Kurzarbeitergeld nach deutschem Vorbild.
Diese Mittel sollen laut Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel ab Anfang Juni verfügbar sein. Dazu müsse auch der Bundestag im Mai noch entsprechende Beschlüsse fassen. Der SPD-Fraktionsvize Achim Post sagte, es sei ernüchternd, dass das bereits von den Finanzministern ausgehandelte Paket nur bestätigt worden sei. "So werden die Regierungschefs ihrer europäischen Führungsverantwortung nicht gerecht."