EU plant erstmals Sanktionen gegen russisches Flüssiggas
Von Martin Meyrath
Die EU nimmt in ihrem neuen Sanktionspaket erstmals russisches Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, kurz LNG) ins Visier. Die eigenen Importe sollen davon aber, entgegen einer Forderung des EU-Parlaments, nicht eingestellt werden. Am Mittwoch berieten die ständigen Staatenvertreter der EU-Staaten lediglich darüber, russische LNG-Lieferungen an Drittstaaten über EU-Häfen zu unterbinden.
"Wir schlagen nie Sanktionen vor, die der europäischen Wirtschaft mehr schaden würden als der russischen", erklärte EU-Energiekommissarin Kadri Simson das Vorhaben.
Russland betreibt eisbrechende Tanker, um Flüssiggas von der sibirischen Jamal-Halbinsel abzutransportieren. Diese fahren aber oft nur bis zu einem europäischen Hafen, wo die Ladung von regulären Tankschiffen zum Weitertransport übernommen werden. Die Eisbrecher können so mehr Ladungen transportieren und die LNG-Terminals besser ausgelastet werden.
Dieses Modell soll durch die Sanktionen unterbunden werden. Betroffen ist davon aber nur etwa ein Fünftel des russischen Flüssiggases, das nach Europa kommt. Der Rest wird nämlich zum Verbrauch in EU-Ländern importiert. Auch auf direkte Exporte in Drittstaaten ergibt sich daraus kein Zugriff.
Russland ist drittgrößter Gas-Lieferant
Laut dem Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) haben die EU-Staaten im Jahr 2023 mehr als 8 Milliarden Euro für russisches Flüssiggas ausgegeben.
Im ersten Quartal entfielen laut Daten der Denkfabrik Bruegel etwa 8,8 Prozent der europäischen Gasimporte auf russisches LNG. Durch die Pipelines Turkstream und die Ukraine kamen weitere 12 Prozent. Zusammengezählt war Russland damit der drittgrößte Gaslieferant der EU, nach Norwegen mit 36 Prozent und den USA mit etwas weniger als einem Viertel (23,5 Prozent).
Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan (CH4). Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, kurz LNG) entsteht, in dem Erdgas auf Minus 163 Grad gekühlt wird. Dabei wird es flüssig, schrumpft auf ein Sechshundertstel seines Volumens und kann verschifft werden.
Im Zuge des Sanktionspakets soll Firmen mit Sitz in der EU auch verboten werden, in russische LNG-Projekte zu investieren. "Wir schränken ihren Zugang zu Technologie und Finanzierung ein", sagte Simson. Russland hat traditionell viel Gas durch Pipelines exportiert und verfügt nicht über ausreichend Verflüssigungsanlagen, um die Mengen auf Tankschiffe zu verlagern – europäische Investoren sollen sich an dem Ausbau nicht mehr beteiligen.
Auch die „Schattenflotte“, mit der Russland Öl oberhalb des von EU und G7 gesetzten Preisdeckels verkauft, soll besser erfasst werden. Allerdings ist nicht gesagt, dass sich die EU-Staaten auf das Paket einigen. Medienberichten zufolge könnte sich etwa Ungarn querstellen. Das Land bezieht unverändert russisches Gas und Öl durch Pipelines – diese wären von den Maßnahmen dabei nicht betroffen.