Wirtschaft

Ein Neuling folgt Mister Euro

Die Amtsübergabe in der Eurogruppe fand schon vor der offiziellen Wahl des „Neuen“ statt: Freitagnachmittag empfing Jean-Claude Juncker in Luxemburg den niederländischen Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, um mit ihm die „Reisepläne für die nächsten Jahre“ zu besprechen, wie Juncker sagte. Am Montag wurde Dijssel­bloem bei der Sitzung der Euro-Finanzminister dann auch formell zum neuen Chef der Eurogruppe gekürt.

Dijsselbloem ist auf europäischer Ebene ein Neuling: Erst seit November ist der Sozialdemokrat Finanzminister, davor war der studierte Agrarökonom lange für Bildungsfragen zuständig. Der 46-Jährige wird – auch von anderen Finanzministern – als ehrgeizig, fleißig – und als weitgehend humorresistent beschrieben. „Lach doch mal“, soll ihm ein Minister-Kollege nach einem Fernsehauftritt einmal geraten haben. Dijsselbloems Antwort soll knochentrocken gewesen sein: „Wenn ich über ernste Themen spreche, sehe ich auch ernst drein.“

Verlegenheitslösung

In Brüssel weiß man noch wenig über den zweifachen Vater zu sagen: Er sei ein guter Zuhörer, meinen Gesprächspartner. Und: Sein Englisch sei ausgezeichnet.

In Finanzfragen gilt Dijsselbloem als „Falke“, als Verfechter eines harten Sparkurses also. Das soll ihm auch die Unterstützung von Deutschlands Bundesregierung gebracht haben.

Dijsselbloem ist als Eurogruppen-Chef eine Verlegenheitslösung. Deutschlands Finanzminister Schäuble wäre ein Nachfolger in Junckers Liga gewesen – die Franzosen legten sich quer. Brüsseler Logik folgend schied damit auch Frankreichs Finanzminister Moscovici aus. Auch Kanzler Faymann war im Gespräch – er winkte ab. Als Deutschland dann einen Finanzminister aus einem Land mit Triple-A-Rating forderte, blieben nur wenige Kandidaten. Dijsselbloem blieb als kleinster gemeinsamer Nenner.

Juncker als Vorbild

Dijsselbloem hat eine rasche Auffassungsgabe und gilt als lernfähig. Von Juncker kann er sich einiges abschauen. „Als Europäer ist man nicht geboren, zum Europäer wird man“, sagte Juncker in einem KURIER-Interview. Der 58-Jährige Luxemburger zeigte es vor: Er liest nächtelang, studiert jedes Dokument, der Weg zu seinem Schreibtisch führt an Bücherbergen und Zeitungsstößen vorbei. Als politischer Ziehsohn von Helmut Kohl verstand er es perfekt, zwischen Berlin und Paris zu vermitteln. Die Mehrsprachigkeit kam ihm zugute, ebenso wie sein Verhandlungsgeschick und seine Kompromissbereitschaft. Wenn nichts mehr ging, wurde Juncker geholt.

Kommissionspräsident hätte er werden können, er lehnte ab. „Ich bin meinen Wählern im Wort.“ Er bleibt weiterhin luxemburgischer Premier, nur die Euro-Moderatoren-Rolle gibt er ab. Auf der Brüsseler Bühne wird Juncker als Premier seines Landes aber weiterhin präsent sein. Und wer weiß, ob er nicht noch Ratspräsident Rompuy Ende 2014 beerbt.

Der dienstälteste Regierungschef gilt als leidenschaftlicher Europäer. Den Kettenraucher hat die Krisenbewältigung der vergangenen Jahre einige Male an das Ende seiner physischen Belastbarkeit gebracht. Nicht nur die Märkte, sondern auch die Menschen wollte er beruhigen. Nicht immer mit den richtigen Worten: Vor zwei Jahren passierte Juncker, der Humor, Selbstironie und ein Bier schätzt, ein schwerer Fauxpas. In einer Brüsseler Gesprächsrunde sagte er halb im Spaß: „Wenn es ernst wird (in der Politik, Anm.), muss man lügen.“ Dieser Satz holt ihn bis heute ein.

Für seine Hobbys wird Juncker möglicherweise künftig etwas mehr Zeit haben: für ein Spiel auf seinem Flipper-Automaten und für seinen Hund Dagobert.