Ökonom: "Digitaler Euro ist so unattraktiv wie alkoholfreier Wein"
Viele Details sind noch offen, aber schon jetzt steigt der Widerstand gegen die Europäische Zentralbank. Konkret gegen ihr Projekt des digitalen Euro. Dieser soll Bargeld nicht abschaffen, sondern eine Ergänzung darstellen. „Es geht in die falsche Richtung, der digitale Euro ist nicht die Lösung“, sagt der deutsche Ökonom Peter Bofinger. „Der Nutzen ist kaum erkennbar, die Kosten hoch und die Risiken bestimmt nicht gering.“ Der Professor an der Uni Würzburg hat im Auftrag der Bundessparte Banken der Wirtschaftskammer Österreich ein Gutachten zum digitalen Euro erstellt und nun in Wien vorgestellt.
Darin geht Bofinger mit den Plänen der EZB hart ins Gericht. „Der digitale Euro ist ein grundlegender Eingriff in unser Geld- und Finanzsystem.“ die Notwendigkeit des digitalen Euro werde mit makroökonomischen Argumenten begründet. Er werde als „monetärer Anker“ für die Funktionsfähigkeit des Zahlungssystems, die Finanzstabilität und das Vertrauen in die Währung benötigt. Es lasse sich, so Bofinger, aber recht einfach herleiten, dass es für die Verankerung des Finanzsystems ausreicht, wenn die Geschäftsbanken Guthaben bei der Notenbank halten. Dafür brauche es keinen digitalen Euro.
Digitaler Euro befeuert Angst vor Bargeld-Abschaffung
Bofinger sieht derzeit keine überzeugenden Anwendungsfälle für den digitalen Euro. Er sei für die Verbraucher so unattraktiv wie alkoholfreier Wein, zieht Bofinger einen Vergleich. Beim Wein schätze man den Alkohol, beim Bargeld die physische Verfügbarkeit. Zudem könne der digitale Euro die Interpretation befeuern, man wolle das Bargeld abschaffen. Die EZB sage zwar, dass sie das nicht vorhabe, aber ob man ihr das glaube, sei eine andere Frage.
Es gebe auch keine Vorteile bezüglich Sicherheit und Anonymität, es würden zusätzliche Transaktionskosten bei Überweisungen auf das entsprechende Konto anfallen und es gebe keine Verzinsung. Aktuell ist eine Obergrenze von 3.000 Euro je Konto geplant. Damit soll die Gefahr eines Bankruns reduziert werden.
Die 4 Risiken des digitalen Euro aus Bofingers Sicht:
- Ordnungspolitisches Risiko: Die Obergrenze ist nicht verbindlich. Die EZB könnte also durch Beseitigen der Obergrenze den Banken in großem Stil die Refinanzierungsbasis entziehen
- Systemisches Risiko: Bei einer geringen Obergrenze ist das Risiko eines "digitalen Bank-Run" begrenzt. Die Existenz des digitalen Euro kann aber grundsätzlich das Vertrauen in die Stabilität der Bankguthaben untergraben.
- Denominations-Risiko: Bei Befürchtungen eines Euro-Austritts werden Einleger Geld von Bankkonten auf digitale Euro umschichten und die Instabilität verstärken.
- Politisches Risiko: Der digitale Euro könnte als erster Schritt zur Abschaffung des Bargelds interpretiert werden.
Banken müssen die Kosten tragen
Apropos Banken: Diese sollen laut Plan mehrheitlich die Kosten tragen, etwa für das Eröffnen und Führen digitaler Euro-Konten. „Die Kostenbelastung wird zu höheren Kreditzinsen führen“, warnt Bofinger. Und auch die Steuerzahler würden zum Handkuss kommen. „Die EZB muss ein völlig neues Abwicklungssystem erstellen und betreiben.“ Und der Handel soll zur Annahme des digitalen Euro verpflichtet werden.
Bezüglich Zahlungsinfrastruktur will Europa unabhängig von den USA werden, was Bofinger grundsätzlich begrüßt. Aber: Es würden aufgrund der Umstände erneut wieder die großen US-Player wie Visa, Mastercard oder Paypal zum Zug kommen. „Wäre es nicht kostenintensiv, würde es ein solches System in Europa schon längst geben“, sagt WKO-Spartenobmann Willi Cernko. „Es wäre ein Treppenwitz, wenn es am Ende wieder Visa macht.“
Es geht um die Privatsphäre
Österreichs Banken stehen laut Cernko dem digitalen Euro „positiv-kritisch gegenüber“. Es gebe positive Ansätze, aber viele offene Fragen. Es gehe darum, die Privatsphäre der Bürger zu schützen, die Wahlfreiheit beim Bezahlen, um die Sicherheit des Geldes und um die Stabilität des Finanzsystems.
Für den Ökonomen wären Systeme auf Basis eines QR-Codes besser, den man bei einer Transaktion scannt und eine direkte Verbindung mit dem eigenen Bankkonto herstellt. Solche Systeme seien bereits in Deutschland (Giropay) oder der Schweiz (Twint) im Einsatz. Die European Payments Initiative (EPI) sei bestrebt, ein solches System für ganz Europa (nicht nur den Euroraum) zu etablieren).
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Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sieht beim digitalen Euro noch viele offene Fragen. "Grundsätzlich unterstützen wir das Ziel der Kommission, die Rolle des Euros zu stärken. Wir sind jedoch dagegen, dass Österreicherinnen und Österreicher verpflichtet werden, den digitalen Euro zu verwenden", so Brunner in einem schriftlichen Statement. "Die Risiken in Hinblick auf die Stabilität des Finanzsystems dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Auch der Schutz persönlicher Daten und der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger haben oberste Priorität." Bis diese Fragen geklärt sind, werde Österreich bei seiner skeptischen Haltung bleiben, sagte der Finanzminister weiter.
"Der digitale Euro soll Bargeld ergänzen und damit stärken", heißt es in einer Stellungnahme der Nationalbank auf Anfrage des KURIER. "In einer Zeit, in der die Digitalisierung immer weiter voranschreitet, ist es wichtig dass Banknoten und Münzen auch ihr digitales Gegenstück haben. Der digitale Euro wird aber erst kommen, wenn gewährleistet ist, dass Sicherheit, Datenschutz und Bedienungsfreundlichkeit wirklich gegeben sind. Entscheidend ist der Nutzen für jede Einzelne und jeden Einzelnen. Dazu arbeiten wir derzeit als Notenbanken im Eurosystem gemeinsam mit Banken und anderen Partnern. Kritische Anmerkungen wie in der vorliegenden Studie sind daher immer willkommen."