Wirtschaft

Deutsche Regierung übernimmt Kontrolle über Rosneft-Raffinerie

Die deutsche Regierung übernimmt die Kontrolle über die ostdeutsche Ölraffinerie Schwedt und stellt den russischen Betreiber Rosneft unter Treuhandverwaltung. Damit gehe man gegen eine Gefahr für die Energiesicherheit vor und lege einen Grundstein für die Zukunft des Standorts Schwedt, teilte das Wirtschaftsministerium am Freitagmorgen mit. Die russische Regierung wurde nicht im Voraus über die Übernahme der Kontrolle bei der ostdeutschen Rosneft-Raffinerie informiert.

Rechtmäßiger Schritt

Dazu gebe es keine Notwendigkeit, sagte eine Sprecherin des deutschen Wirtschaftsministeriums am Freitag in Berlin. Es sei auf Basis deutscher Gesetze, hier des Energiesicherungsgesetzes, gehandelt worden. Ziel des Schritts sei es, die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Die Sprecherin ergänzte, es habe für Schwedt bereits Öllieferungen über Rostock gegeben, allerdings nicht von russischem Öl. Die Raffinerie könne weiterbetrieben werden, jedoch nicht unter voller Auslastung. Details zur Auslastung nannte die Sprecherin nicht.

Deutschland will ab Jahresende kein russisches Öl mehr verarbeiten, was aber das Geschäftsmodell von Rosneft in Schwedt ist. Dort endet die Öl-Pipeline Druschba. In den vergangenen Monaten hat sich eine Arbeitsgruppe daher um eine Versorgung von Schwedt mit Öl aus Tankern über Rostock und auch den polnischen Hafen Danzig bemüht. Polen hatte Unterstützung signalisiert, wenn Rosneft in Schwedt nicht mehr das Sagen hat. Rosneft hält einen Mehrheitsanteil von gut 54 Prozent an der PCK Raffinerie, Shell rund 37 Prozent.

Präzedenz bei Gazprom

Deutschland hat über die Bundesnetzagentur bereits die deutschen Töchter von Gazprom unter Treuhandverwaltung gestellt. Grundlage ist auch hier das Energie-Sicherungsgesetz, das dies für den Fall einer Gefahr für die Versorgung möglich macht. Neben dem Mehrheitsanteil an Schwedt übernimmt die Netzagentur so auch die Kontrolle über die Rosneft-Minderheitsanteile der Raffinerien MiRo (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg).

Schwedt spielt für die Versorgung von Ostdeutschland mit Benzin und anderen Raffinerieprodukten eine zentrale Rolle. Auch Teile Westpolens werden ebenso wie der Flughafen Berlin-Brandenburg mitversorgt.

Mit der bestehenden Pipeline vom Hafen Rostock nach Schwedt könnte allerdings die Raffinerie nur zu gut 60 Prozent ausgelastet werden. Der Rest des benötigten Öls soll über den polnischen Hafen Danzig und das dortige Pipeline-System kommen. Laut einem Papier des Wirtschaftsministeriums von Ende August hofft man auf eine Auslastung von mindestens 75 Prozent. Diesen Anteil will man auch für die Raffinerie Leuna erreichen, die auch russisches Öl nutzte. Sie hat allerdings bereits ältere Verträge für Lieferungen über Polen und wird auch nicht von Rosneft kontrolliert. Polen war aber nur zur Hilfe bereit, wenn Rosneft keinen Einfluss mehr auf Schwedt hat.

Eskalation mit Russland

Der Zeitpunkt der Treuhandverwaltung kommt insofern nicht überraschend, da Russland seine Gaslieferungen praktisch komplett eingestellt hat. Damit entfällt ein weiterer Grund für eine Rücksichtnahme. Dennoch ist die Treuhandverwaltung ein weiterer Schritt der Eskalation im Verhältnis zu Russland. In deutschen Regierungskreisen hatte es geheißen, auch ein sofortiger Stopp der Öllieferungen müsse in diesem Fall einkalkuliert werden.

Offen ist auch, wer für Rosneft als Betreiber einspringen könnte. Shell als zweitgrößter Anteilseigner will sich eigentlich seit längerem aus der Raffinerie zurückziehen. Interesse hatten Verbio und Enertrag angemeldet, beide aus der Erneuerbaren-Energien-Branche. Sie wollen Schwedt eine Perspektive geben, wenn auf Öl aus Klimaschutzgründen verzichtet wird. Für die Grenzregion zu Polen hat Schwedt als Arbeitgeber für über 3.000 direkt und indirekt Beschäftigte eine große Bedeutung.

Das deutsche Wirtschaftsministerium kündigte bereits an, die Entscheidung werde von einem umfassenden Zukunftspaket begleitet. Damit solle ein Transformationsschub für die Region ausgelöst werden. Dieses Zukunftspaket soll am Freitagmittag von Kanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke, vorgestellt werden.

Rosneft spricht von "Zwangsenteignung"

Der Ölkonzern bezeichnete das Vorgehen als einen "illegalen" Zugriff auf sein Vermögen und kündigte an, zum Schutz seiner Aktiva vor Gericht gegen die Aktion Berlins vorzugehen.

"Rosneft sieht darin eine Verletzung aller grundlegenden Prinzipien der Marktwirtschaft, der zivilisierten Grundlagen einer modernen Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Unantastbarkeit von Privateigentum aufbaut", hieß es in der Stellungnahme. Der Konzern betonte, dass er zu jeder Zeit seine Verpflichtungen erfüllt habe. Das Unternehmen werde alles tun, um die Interessen seiner Aktionäre zu schützen, hieß es.

Zugleich machte Rosneft deutlich, durch die Entscheidung der Bundesregierung nun keine Möglichkeit mehr zu haben, "die industrielle und ökologische Sicherheit des Werkes zu gewährleisten". Der Konzern sei allerdings auch bereit, einen möglichen neuen Vertrag auszuhandeln - unter der Bedingung, dass es eine Garantie gebe für die Bezahlung der Öllieferungen, für die Investitionen und die Rechte der Beschäftigen des Unternehmens.