„Corona ist der Brandbeschleuniger für Entwicklung im stationären Handel“
Von Kid Möchel
Der zweite Lockdown bringt nicht nur den Handel, sondern auch die Vermieter von Handelsimmobilien in Zugzwang. Die Retail-Experten des Dienstleisters Otto Immobilien rechnen damit, dass es im stationären Handel massive Veränderungen geben wird. Und das wird sich auf Mieten und die Mieteinnahmen auswirken.
„Die Auswirkungen des ersten Lockdowns und des zweiten Lockdowns könnten dazu führen, dass Tausende Geschäfte schließen müssen“, sagt Patrick Homm von Otto Immobilien zum KURIER. „Bei ersten Lockdown hat ein Großteil der Vermieter versucht, den Händlern bei den Mieten und Betriebskosten entgegenzukommen. Es gab einen gewissen Prozentsatz, der darauf beharrt, dass er seine Miete plus Betriebskosten bekommt.“
200 Millionen Euro
Durch den zweiten Lockdown befürchtet der Handelsverband einen Umsatzausfall von 900 Millionen Euro pro Woche. Der Verlust der Vermieter von Shop-Flächen wird auf zumindest 200 Millionen Euro pro Monat geschätzt.
Die staatlichen Hilfspakete, Stundungen und Zuschüsse seien nur „eine vorübergehende Lösung der Probleme der Händler“ und würden die Folgen nur verschleppen.
„Die Corona-Pandemie und die beiden Lockdowns sind eigentlich der Brandbeschleuniger für die negativen Entwicklungen im stationären Handel“, sagt Homm. „Die Mieten waren auf einem hohen Niveau, fast schon am Limit. Jetzt bedarf es eines Entgegenkommens auf beiden Seiten.“ Nachsatz: „Wir plädieren dafür, dass es zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit kommt, damit beide Seiten durch die Krise kommen.“
Laut Otto Immobilien „wird die Verknüpfung von Online- und Offlinehandel durch eine abgestimmte Omni-Channel-Strategie künftig noch stärker an Bedeutung gewinnen“. Dazu kommt eine Verkleinerung der Verkaufsflächen und eine Einbindung von Gastronomie in Shops.
Der Einzelhandel wird sich auf 1-A-Lagen, Kernzonen und Topeinkaufsstraßen fokussieren. Betreiber von Einkaufszentren sind gefordert, aus ihren Zentren „Life-Style-Hubs“ zu kreieren.
Indes fehlt den B- und C-Lagen die nötige Kundenfrequenz. „In B- und C-Lagen geht die Marken-Wahrnehmung für viele Händler verloren, sie ziehen sich aus diesen Bereichen eher schon zurück“, sagt der Experte.
Seit Beginn der Covid-Krise gibt es bei Handelsimmobilien deutlich längere Vermarktungszeiten und es seien „kreative Ansätze gefragt, um diese nachhaltig vermieten zu können“. So ist auch eine Kostenteilung bei Investitionen in Objekte ein Thema.
„Es wird auch versucht, mit Umsatzmieten zu arbeiten“, sagt Homm. „Je höher der Umsatz, desto mehr muss man zahlen.“ Es gibt aber auch Staffelmieten, sprich günstige Grundmieten mit zeitlich fixen Erhöhungen. „Es geht mehr darum, dass man die Mieter hält und unterstützt“, sagt der Experte.
War es früher gängig, auf zehn Jahre oder unbefristet zu vermieten, so sind es heute oft nur drei bis fünf Jahre.
Vor allem institutionelle Immobilien-Investoren müssen neu kalkulieren. Sinkt die Miete, sinkt auch der Wert ihrer Immobilienobjekte.
„Das ist ein Problem, die Eigentümer wollen ihre Objekte noch nicht abwerten“, sagt Homm. „Wir gehen aber davon aus, dass diese Auswirkungen sukzessive im ersten Halbjahr 2021 spürbar werden.“
Kid Möchel