Chinas Firmen halten sich in Europa bei Zukäufen zurück
Die Corona-Pandemie bremste im vergangenen Jahr die Einkaufstour chinesischer Unternehmen in Europa erheblich: Die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen sank um 28 Prozent auf 132, das Transaktionsvolumen ging sogar um 91 Prozent von 17,2 auf 1,5 Milliarden Dollar zurück. Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY.
Nachdem es 2019 erstmals seit 2010 keine chinesische Übernahme in Österreich gab, hielten sich die Investoren aus China auch im vergangenen Jahr zurück. Mit dem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der oberösterreichischen VDS Holding durch die Weichai Power Co., Ltd gab es in 2020 nur eine Übernahme. 2018 haben chinesische Investoren drei Unternehmen in Österreich übernommen, 2017 sogar fünf.
Verzögerungen und Absagen
„Die Pandemie hat den Transaktionsmarkt spürbar beeinträchtigt: Viele Transaktionen wurden verzögert, teilweise lag der M&A-Markt sogar komplett auf Eis. Auch chinesische Investoren waren deutlich weniger aktiv als in den Vorjahren“, sagt Eva-Maria Berchtold, Partnerin und Leiterin der Strategie- und Transaktionsberatung bei EY Österreich.
Erst ab Herbst 2020 wagten sich Interessenten wieder verstärkt an neue Deals heran. Die Zurückhaltung im vergangenen Jahr ergab sich zum Teil aus den Eindämmungsmaßnahmen in Europa, zum Teil aber auch daraus, dass das operative Geschäft vieler potenzieller chinesischer Investoren selbst durch die Folgen der Pandemie beeinträchtigt wurde.
Umsatzeinbrüche
Einige chinesische Unternehmen, die in der Vergangenheit in Europa Zukäufe getätigt hatten, waren laut Berchthold mit pandemiebedingten Umsatzeinbrüchen konfrontiert. Statt neue Unternehmen zu akquirieren, kämpften sie wie viele andere Unternehmen mit erheblichen Herausforderungen.
Auch Unsicherheiten in Bezug auf die Geschäftsaussichten der Zielunternehmen bremsten den Transaktionsmarkt. Zudem gab es aufgrund der Reisebeschränkungen und Lockdown-Maßnahmen ganz konkrete und praktische Probleme bei der Deal-Anbahnung und -Durchführung.
Kaum große Deals
Gerade große Transaktionen waren im vergangenen Jahr Mangelware, was auch den starken Rückgang der Investitionssummen erklärt, so Berchtold: „2020 gab es viele kleine Deals. Aber vor größeren Investitionen schreckten die Unternehmen angesichts der erheblichen Risiken zurück. Ebenfalls dämpfend wirkten sich die hohen Hürden für ausländische Beteiligungen gerade in bestimmten kritischen Branchen sowie die zunehmende Konkurrenz durch kapitalstarke Finanzinvestoren aus.“
Nach wie vor sieht Yi Sun, Partnerin und Leiterin der China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz bei EY, aber ein großes Interesse chinesischer Unternehmen an einem verstärkten Engagement in Europa. Daran hätten weder der zunehmende politische Widerstand noch die Pandemie etwas geändert, so Sun: „Chinesische Unternehmen kaufen vorrangig in den klassischen Industriebranchen Maschinenbau und Automobil zu, aber auch Biotechnologie und Medizintechnik stehen derzeit hoch im Kurs“, sagt Sun.
Deutschland als Top-Ziel
Wie in den Vorjahren lag der Fokus chinesischer Investoren auf Industrieunternehmen: Insgesamt 36 Transaktionen entfielen europaweit auf Industriebranchen. An zweiter Stelle folgen Konsumgüterhersteller (22 Deals), High-Tech-Firmen (20 Deals) und Unternehmen aus der Gesundheitsbranche (16 Deals).
Mit 28 Transaktionen wurden die meisten Transaktionen in Deutschland gezählt – vor Großbritannien (21 Deals), Frankreich (17) und Schweden (9). In Großbritannien und Frankreich war jeweils ein Rückgang der Transaktionsaktivitäten zu verzeichnen, während die Zahl der Deals in Schweden auf dem Niveau des Vorjahres lag.
Die europaweit größte Investition war im vergangenen Jahr die Übernahme des schwedischen Elektroautoherstellers National Electric Vehicle Sweden AB (NEVS) durch die Evergrande Group mit einem Volumen von 380 Millionen US-Dollar. Die zweitgrößte Transaktion war die 240-Millionen-US-Dollar-Finanzspritze für den Münchner Flugtaxi-Entwickler Lilium, die von der chinesischen Tencent Gruppe angeführt wurde. Auf dem dritten Platz folgt der Einstieg der China Communications Construction Group beim portugiesischen Baukonzern Mota Engil für gut 200 Millionen US-Dollar.
Zwei der Top-10-Deals haben einen direkten Bezug zur Corona-Pandemie: Für 184 Millionen US-Dollar kaufte das chinesische Pharmaunternehmen WuXi Biologics der Bayer AG eine Anlage zur Herstellung von Impfstoffen gegen COVID-19 ab. Und für 50 Millionen US-Dollar erwarb der chinesische Pharmakonzern Fosun Pharma einen Minderheitsanteil am Mainzer Biotech-Unternehmen BionTech.