Wirtschaft

Change-Prozess: "Wucht der Digitalisierung trifft KMU gerade voll"

Am 27. Juni findet weltweit wieder der Internationale Tag der Klein- und Mittelunternehmen (KMU) statt. Neben den Banken haben die Notare den besten Einblick hinter die Kulissen der KMU. Zur Lage der KMU hat der KURIER deshalb mit dem Wiener Notar Michael Umfahrer gesprochen, der auch der Präsident der Österreichischen Notariats-Akademie ist.

KURIER: Wie geht es den KMU in Österreich? Michael Umfahrer: Die Stimmung ist relativ gut. Die Bonität der österreichischen KMU hat sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich verbessert, wie auch eine aktuelle Untersuchung der KMU-Forschung Austria zeigt.

Und die globale Lage?

Die bereitet natürlich unseren KMU Sorgen. Durch die Globalisierung sind ja auch unsere KMU von Handelskriegen und politischen Krisen betroffen.

Wie sieht man die innenpolitische Situation?

Es ist gut, dass wieder Vertrauen und Stabilität herrschen. Es wäre aber für die Menschen und die Wirtschaft schade, wenn die Steuerreform nicht umgesetzt wird.

Man sagt immer, dass die KMU das Rückgrat der heimischen Wirtschaft sind. Sind sie das tatsächlich?

Ja. 99 Prozent der Betriebe in Österreich sind Klein- und Mittelbetriebe. Zwei Millionen Menschen arbeiten in diesen Unternehmen. Die Umsatzerlöse betrugen in Summe zuletzt rund 455 Milliarden Euro pro Jahr. Das sind immerhin fast zwei Drittel des Gesamtumsatzes von allen Unternehmen in Österreich.

Alle reden von der Digitalisierung. Ist das bei den KMU auch das Top-Thema?

Die Digitalisierung trifft die KMU gerade mit voller Wucht. Denken Sie nur an den Onlinehandel. Ein Viertel aller Unternehmen hat sich mit der Digitalisierung aber noch nicht wirklich auseinandergesetzt. Das wird für viele KMU noch eine große Herausforderung.

Das betrifft auch das Thema Cyberkriminalität, oder?

Ja. Denn mit der technischen Entwicklung verändern sich auch die kriminellen Aktivitäten. Auf diese Bedrohung muss man reagieren.

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Wie trifft die Digitalisierung eigentlich die Notare?

Wir sind da voll mitten drin. Wir arbeiten von der öffentlichen Wahrnehmung her natürlich noch in der analogen Papier-Welt. Aber bereits seit dem Jahr 2000 transformieren wir alle Urkunden in ein elektronisches Urkundenarchiv, das etwa die Basis für unsere Arbeit mit den Gerichten darstellt.

Ihr Beruf wird also nicht aussterben?

So ist es. Wir nützen die Digitalisierung zu unserem Vorteil. Ein Beispiel ist die von uns angebotene Möglichkeit der digitalen Unternehmensgründung seit Jänner dieses Jahres. Und das natürlich unter Einhaltung aller Sicherheitsstandards, die gerade wir als Notare garantieren können.

Rund 40.000 Unternehmen stehen in den nächsten Jahren zur Übergabe an, aber oft findet sich kein Nachfolger. Warum?

Weil man traditionell noch oft einen Erben in der Familie sucht, viele Söhne und Töchter aber einen anderen beruflichen Weg einschlagen wollen. Und natürlich muss ein Unternehmen auch attraktiv für die Zukunft aufgestellt sein.

Wie steht es mit Management-Buy-outs?

Wir beobachten gerade, dass die Übergabe an die eigenen Führungskräfte, also das Management-Buy-out, wieder im Kommen ist.

Apropos Kultur: Warum gibt es in Österreich so wenig Mitarbeiterbeteiligungen?

Weil das eher für größere Gesellschaften sinnvoll ist. Wir haben in Österreich dafür zu wenig börsennotierte Unternehmen und einen zu kleinen Kapitalmarkt.

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Zurück zur Übergabe. Ist es nicht so, dass viele Unternehmer wollen, dass ihr Nachfolger so weitermacht wie sie und sie auch deshalb keinen Nachfolger finden?

Das ist natürlich einer von mehreren Gründen, warum man keinen Nachfolger findet oder eine Nachfolge scheitern kann. Deshalb sind eine rechtzeitige geordnete Hofübergabe und der Rückzug des Übergebers ganz wichtig. Diejenigen, die eine Firma übernehmen wollen, wollen auch ihren eigenen Weg gehen. Das muss mit dem Übergeber klar abgestimmt werden. Man muss aber auch sagen, dass das zunehmend die Regel wird.

Generelle Frage: Warum soll man sich eigentlich in Österreich eine Karriere als Unternehmer antun?

Ich denke, es gibt zwei Gründe dafür. Erstens: die Freiheit. Man ist sein eigener Chef und kann seine Vorstellungen verwirklichen. Und zweitens kann man seine Ideen und Visionen verfolgen und diese im Idealfall mit wirtschaftlichem Erfolg verknüpfen. Das muss gesellschaftlich so gewollt und auch gerade für junge Menschen attraktiv sein.

Ist Österreich unternehmerfreundlich oder unternehmerfeindlich?

Weder noch. Aber Verbesserungen kann es immer geben. Etwa in Form von Förderungen und steuerlichen Anreizen, die gerade beim Start helfen können.

Start-ups sind derzeit „in“. Ist das Ihrer Meinung nach eine echte Entwicklung oder entsteht hier eine Blase?

Wir stellen fest, dass ein großer Anteil der Start-ups scheitert. Von zehn Start-ups ist eines besonders erfolgreich, die anderen neun nicht. Ich würde aber trotzdem nicht von Blase sprechen. Start-ups sind einfach ein Segment, das zur heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung dazugehört.

Wenn Sie noch einmal durchstarten könnten: Würden Sie wieder Unternehmer werden?

Unbedingt.

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