Borealis-Belegschaft in Linz fordert "offene Karten" bei Verkaufsplänen
Die OMV-Chemietochter Borealis will die Düngmittel- und Melaminproduktion veräußern. In Linz wären von dem Verkauf der Borealis Agrolinz Melamine und Borealis L.A.T gut 800 Mitarbeiter betroffen. In einer virtuellen Betriebsversammlung am Montag stellten Belegschaftsvertreter und Gewerkschaft klar. "Die Firmenleitung hat mit offenen Karten zu spielen", sagte der stellvertretende oö. Landesgeschäftsführer der GPA, Wolfgang Gerstmayer.
Sollte es tatsächlich zum Verkauf kommen - Details liegen den Betriebsräten nicht vor - fordern die Belegschaftsvertreter ein Mitspracherecht, so das Ergebnis der Versammlung. Gewerkschaft sowie der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) unterstützen den Wunsch der Belegschaft nach einem Einbeziehen in den Verkaufsprozess. Auch wenn es für das Stadtoberhaupt nachvollziehbar sei, dass sich ein Konzern strategisch neu aufstelle und sich aus einzelnen Sparten zurückziehe, sehe er "angesichts der höchst erfolgreichen Bilanz des Produktionsstandortes Linz eine hohe Verantwortung gegenüber den Beschäftigten, die diesen Weg erst ermöglicht haben".
Schon 2019 hatte es geheißen, dass die Düngemittelsparte der Borealis in Linz zum Verkauf steht. Mehrere Interessenten, wie den holländisch-ägyptischen Düngemittelriesen OCI, den tschechischen Unternehmer und Ministerpräsidenten Andrej Babis sowie einen russischen Investor, soll es gegeben haben. Damals hatten Personalvertreter kritisiert, die Belegschaft bekomme zu wenig Informationen und drohten sogar mit einer Klage auf Unterlassung. Doch soweit kam es nicht, da das Geschäftsfeld nicht veräußert wurde.
Ob es diesmal ernst wird, konnte Gerstmayer am Montag nicht sagen. Außer, dass der Verkauf geplant sei, wisse die Belegschaft nichts. Informationen von der Geschäftsführung habe es bisher keine gegeben.
Wie berichtet, hat Eigentümer Borealis vor zehn Tagen angekündigt, den gesamten intern sogenannten "Nitro"-Teil (Düngemittel- und Melaminproduktion) mit mehreren Standorten in Europa zu verkaufen. Borealis wird damit 2000 seiner 6000 Beschäftigten verlieren.
Schon vor zwei Jahren hatte es Verkaufsgerüchte gegeben, nun macht Borealis ernst: Die Firma, die zu 75 Prozent der OMV gehört, will den Stickstoff-Bereich verkaufen. Bei den rund 1200 Borealis-Beschäftigten im Chemiepark in Linz sorgt das für Zittern: Rund 750 arbeiten in Oberösterreich in dem Geschäftsbereich, der den Besitzer wechseln soll.
1200 der 7500 Borealis-Mitarbeiter sind in Linz beschäftigt: 450 sind im Innovationszentrum tätig, das ganz im Zeichen der Weiterentwicklung von Kunststoffen und Basischemikalien steht. Der Rest wird zu jenem Bereich gezählt, von dem sich die Borealis nun offiziell trennen will - der Stickstoff-Sparte, in der auch Pflanzennährstoffe und Melamin entstehen.
Wie schnell der Verkaufsprozess vollzogen wird, ist offen. Er sei ja erst eingeleitet und damit noch gar nicht begonnen worden, heißt es. Für die Mitarbeiter bedeutet die Botschaft jedenfalls Ungewissheit. Auch für den Chemiepark in Linz steht einiges am Spiel: Schließlich betreibt Borealis drei Viertel der Anlagen am Areal.
Die OMV baut dagegen intensiv auf Borealis. "Wir haben die Weichen für eine neue, größere OMV gestellt", bekräftigt Konzernchef Rainer Seele den Strategiewechsel. Seele beschleunigt den Umbau weg vom fossilen Geschäft: Nach den Tankstellen in Deutschland will man auch jene in Slowenien verkaufen. Dafür soll die Veredelung von Öl zu Plastik die OMV zukunftssicherer machen und mehr Wertschöpfung bringen. B.Kneidinger/C.Ebeert