Wirtschaft

Boehringer-Chef: Neue Anlage sichert Standort Wien für 40 Jahre ab

Nach vierjähriger Bauphase geht der 700 Millionen Euro teure Zubau trotz Corona pünktlich in Betrieb. Es sei eine der "modernsten, größten und flexiblesten" biopharmazeutischen Produktionsanlagen weltweit, erläutert Boehringer-Ingelheim-Generaldirektor Philipp von Lattorff im Gespräch mit dem KURIER.

Die "Boehringer-City" in Wien-Meidling wurde um fünf neue Gebäude erweitert. In der neuen Anlage werden mithilfe von Zellkulturen Wirkstoffe für Medikamente gegen Schlaganfall, Herzinfarkt oder Krebs hergestellt. Mit einer Fertigungskapazität von 185.000 Liter ist es eine der größten, allein stehenden biopharmazeutischen Anlagen im europäischen Raum. Beliefert wird der Weltmarkt.

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KURIER: Verlief bei dem Großprojekt zeitlich und kostenmäßig alles wie geplant?

Philipp von Lattorff: Wir sind in der Zeit und im Budget geblieben. Die Anlage kostete etwa 700 Millionen Euro. Wir hatten Glück im Unglück, weil uns die Corona-Krise erst erwischt hat, als der Bau schon weit fortgeschritten war.

Schon alle benötigten Mitarbeiter rekrutiert?

Ja, wir haben in den vergangenen zwei Jahren 500 Mitarbeiter neu eingestellt, 350 davon wurden wegen Corona online rekrutiert, was eine große Herausforderung war. Wir mussten sie für die neue Anlage ja noch selbst ausbilden.

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Gibt es schon Aufträge fürs neue Werk?

Ja, absolut, sowohl intern als auch von externen Kunden. Das künftige Auftragsverhältnis wird etwa 50 zu 50 betragen.

Wie viel Steuergeld steckt im Zubau?

Kein einziger Euro. Das haben alles wir berappt. Als wir hier begonnen haben, gab es die Investitionsprämie ja noch nicht. Wir können sie aber für andere Projekte nutzen, auch die Forschungsprämie hilft uns bei Forschungsaktivitäten. Es wäre ein Anreiz, diese auszuweiten.

Gibt es am Standort noch Platz für weitere Zubauten?

Ja, wir hätten noch Platz. Aber eher für die Forschung, nicht für eine derart große Fertigungsanlage mit fünf Gebäuden.

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Die biopharmazeutische Produktion gibt es schon sehr lange, inzwischen werden neue Technologien erprobt. Wie lange rentiert sich die Fertigung hier am Standort?

Stimmt. Mit der Technologie, die wir hier am Standort haben, produzieren wir schon seit 1982. Sie ist stabil und bewährt. Die Anlage kann auch nicht so einfach in die Slowakei oder woanders hin verlagert werden. Die wird sicher die nächsten 40 Jahre ihren Dienst hier tun. Biologische Medikamente sind ein Wachstumsmarkt.

Das Boehringer Ingelheim Regional Center Vienna (RCV) ist Zentrum für Krebsforschung sowie Produktionsstandort für biopharmazeutische Forschung des deutschen Pharmakonzerns. Mit 2411 Mitarbeitern zählt Boehringer Ingelheim zu den wichtigsten forschenden Pharmafirmen in Österreich. 2020 wurden in Österreich 115 Mio. Euro umgesetzt (+3,5 Prozent). Hauptumsatzbringer waren Pradaxa (Gerinnungshemmer), Speriva (Atemwegserkrankung) sowie Diabetes-Produkte. In der gesamten Region betrug der Umsatz 1,087 Mrd. Euro (+6,4 Prozent), wobei das Kerngeschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten um 5,6 Prozent und jenes mit Tiermedizin (Merial) um 12,8 Prozent auf 134,9 Mio. Euro zulegte.

Philipp von Lattorff leitet seit 2013 das Regional Center Vienna (RCV) des deutschen Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim und trägt die Verantwortung für mehr als 30 Länder Mittel- und Osteuropas, der Schweiz und Israel.

Boehringer Ingelheim kündigte kürzlich 15 neue Medikamente bis 2025 an. Wie viele davon werden aus Wien kommen?

Das lässt sich gar nicht so leicht sagen, weil wir im Verbund forschen. Aber die Krebs-Therapien kommen aus Wien, da haben wir konkrete Projekte in Phase 1.

Gibt es für Mitarbeiter im Haus eine 3-G-Pflicht?

Das kommt auf den Bereich an. Wir haben aber eine Umfrage gestartet, bei der 80 Prozent geantwortet haben. Dabei gaben 98 Prozent an, geimpft zu sein. Einige beginnen schon mit der dritten Impfung.

Sie waren immer gegen eine generelle Impfpflicht. Hat sich daran was geändert?

Nein, hat sich nicht. Als Privatperson verstehe ich zwar nicht, warum sich manche Leute nicht impfen lassen, aber wie gesagt, hier bei uns am Standort ist das kein Problem.

Die Regierung hat grad ihre Steuerreform präsentiert. Freut Sie die geplante KöSt-Senkung?

Ein wichtiger, richtiger Schritt und eine positive Nachricht für den Standort. Wir hätten uns natürlich mehr gewünscht, aber die Steuerreform ist gut ausbalanciert, meine ich.