Auto-Kritiker: "Die SUVs müssen weg"
Von Katharina Salzer
"Die SUVs müssen weg“, sagt Klaus Gietinger, Autor, Autogegner und Provokateur. Aber nicht nur sie. Denn die Klimakatastrophe rase auf uns zu. „Der Pkw zum privaten Gebrauch wird nicht mehr erlaubt sein“, erklärt der deutsche Publizist. Das ist seine These in „Vollbremsung. Warum das Auto keine Zukunft hat und wir trotzdem weiterkommen“ (erschienen im Westend-Verlag).
Und das ist die derzeitige Realität: Die SUVs werden mehr. Viel mehr. Trotz des größeren Platz- und Treibstoffverbrauchs, trotz der Diskussion über Abgase, über als Klimawandel-Beschleuniger. Die Statistik verzeichnete in Österreich auch heuer wieder ein Plus. Jeder dritte neuzugelassene Pkw war im ersten Vierteljahr ein SUV oder Geländewagen. In Zahlen ausgedrückt: 30.506 Stück.
„Aber auch der Widerstand wächst“, sagt Gietinger. Ein Beispiel: Fridays for Future. Oder Aktivisten, die im Internet zu Blockaden, Demos, Fahrradsternfahrten bei der Internationalen Automobilausstellung (IAA) aufgerufen haben (sie findet von 12. bis 22. September in Frankfurt statt). Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) hat ihnen in Reaktion darauf einen Dialog angeboten. „Um über Gemeinsamkeiten zu sprechen“, ließ VDA-Präsident Bernhard Mattes wissen. Darunter fällt für ihn das „Commitment zu den Pariser Klimaschutzzielen“.
Tiefer Graben
Doch nicht alle wollen sprechen. „Wir reden nicht mit Profiteuren der Klimakrise“, erklärte das Aktionsbündnis „Sand im Getriebe“. Für den VDA ist auch klar: „Individuelle, nachhaltige Mobilität und Klimaschutz sind kein Widerspruch. Das Auto ist und bleibt ein Teil davon.“
Der Graben wird tiefer.
„Sich das Auto wegzudenken, ist schwer. Es ist eine Droge“, sagt Gietinger. Es sei einfach, das Gaspedal durchzutreten, einfacher als zu gehen oder zu radeln. „Das Auto vermittelt Scheinfreiheit und Omnipotenz.“ Und wir seien von Kind an darauf getrimmt. Aber es sei auch schwierig gewesen, sich das Rauchen wegzudenken. Die Entziehungskur: Parkplätze einschränken, mehr Platz für Öffis, Radfahrer und Fußgänger zulasten der Flächen für Autos. Weniger Geschwindigkeit.
Ein Umdenken hat in vielen Städten begonnen. Radwege und -streifen werden mehr. Von 2007 bis 2017 wuchsen sie in Wien um 290 auf 1.380 Kilometer. Bei einem geringen Anteil an der Verkehrsfläche insgesamt allerdings. Und bei seit Längerem gleichbleibendem Radverkehr. Sieben Prozent der Wege werden mit Radl zurückgelegt. Aber was passiert auf dem Land, wo die Distanzen größer, wo die Geschäfte in den Ortskernen längst Geschichte sind? Öffis und wieder Öffis oder Sammeltaxis. E-Fahrräder würden den Radius um ein Fünffaches zum herkömmlichen Rad vergrößern, erklärt Gietinger. Das Auto habe die Landstruktur zerstört, ohne Auto werde sie wiederkommen. „Die Wege müssen kürzer werden“, schreibt er.
E-Autos sind für ihn keine Alternative. Wegen der Batterien und dem benötigten Strom, der produziert werden muss. Doch die Autoindustrie sorgt für Arbeitsplätze. Durch den E-Boom bangen Zulieferer ohnehin um ihre Jobs. In Österreich sind 80.000 Menschen in diesen Betrieben beschäftigt. Die Branche sichere, sagt die Wirtschaftskammer, 210.000 Jobs.
„Konversion“, sagt der Autor darauf. „Sie sollen etwas anderes bauen.“ Gietinger weiß, dass er provoziert: „Man muss radikal sein.“ Die Reaktionen auf sein Buch gehen bis zu Drohungen: „Nicht die SUVs müssen weg, Sie, Herr Gietinger, müssen weg.“
"Vollbremsung. Warum das Auto keine Zukunft hat und wir trotzdem weiterkommen", von Klaus Gietinger. Erschienen im Westend-Verlag. 16ß Seiten, 15.50 Euro.