Wirtschaft/atmedia

"Das ist echtes Steinzeitfernsehen"

KURIER: Was war die Geburtsstunde der großen Samstagabendshows im ORF? Der Song-Contest-Sieg mit Udo Jürgens 1966? Oder startete das früher?

Teddy Podgorski: Es hat sich aus dem "bunten Abend" entwickelt, noch vor dem Fernsehen, angefangen mit Maxi Böhm, Heinz Conrads. Das war die Urzelle der Abendshow.

Lou van Burg hatte ab 1959 mit "Jede Sekunde ein Schilling" die erste große Samstagabendshow des ORF. Hat man das Genre in Österreich aus der Taufe gehoben?

Lou van Burg war wirklich der Erste. Da kam sozusagen der dicke Holländer mit Schnurrbart und hat erstmals ein Gewinnspiel gemacht. Die Sendung wollte er zuerst in Holland machen, aber dort und auch bei der ARD haben sie das nicht gewollt. Bei uns hat man ihn jedoch aufgenommen. In Deutschland fanden damals eher Musikshows mit großen Conferenciers statt.

Worum ging es bei der Show?

Bei "Jede Sekunde..." mussten Kandidaten auf der Bühne z. B. Sackhüpfen und bekamen für jede Sekunde einen Schilling. Außer wenn äußere Umstände eintraten, etwa wenn am Westbahnhof auf Gleis fünf ein Zug einfuhr, hat man dann wieder alles verloren.

Danach kamen viele Größen, die in Österreich und Deutschland triumphierten. Joachim Kulenkampff und schaffte etwa einen Riesenerfolg mit "Einer wird gewinnen".

Das war ein Riesenhype, ja. Er hat das Publikum begeistert.

Alle Inhalte anzeigen
Harald Juhnke war ebenfalls im ORF tätig. Wie war das?

Er war wegen Alkoholproblemen in Deutschland gesperrt, aber der ORF hat ihn genommen. Ich habe da selbst am meisten draufgezahlt, als ich ’85 die Eröffnung des Raimundtheaters moderiert habe: Eine große Samstagabendshow. Stargast war Juhnke. Er war an diesem Abend leider Gottes sternhagelvoll. Ich bin vor dem Vorhang gestanden und musste ihn ankündigen, habe aber hinter mir gehört, wie die Leute ihn verzweifelt suchen (lacht).

"Wetten, dass..? wird eingestellt, es gibt keinen wirklichen Nachfolger als Samstagabendshow. Was hat sich in der Fernsehlandschaft verändert?

Sie können heute sagen: "Da kommt ein Mann und der kann zwei Lastautos schlucken". Die Reaktion der Zuseher wird üblicherweise die sein: "Jaja, wird schon stimmen." Es ist völlig spannungslos geworden.

Warum funktioniert die Sendung nicht mehr?

Es ist fad! Wenn der Moderator auch noch fad ist und keinen Schmäh hat, dann ist das furchtbar. Thomas Gottschalk war wenigstens ein "Hutschenschleuderer". Das war laut, hatte Glamour. Markus Lanz ist ein Vorzugsschüler, der lustig sein will. Das ist echtes Steinzeitfernsehen.

Ist der Sendeplatz, der früher ein "Lagerfeuer" für die ganze Familie war, noch zu retten?

Ich glaube, es gibt keinen Straßenfeger mehr. Es gibt auch diese Lagerfeuerstimmung überhaupt nicht mehr. Die Leute schalten herum und bleiben irgendwo hängen. Es ist nicht mehr so, dass man sitzt und sich auf 20.15 Uhr freut. Familien sitzen, glaube ich, überhaupt nicht mehr – und schon gar nicht beim Fernsehen.