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Lotte Reiniger: Pionierin mit spitzer Schere

Romantisch, verspielt, filigran waren ihre Filme. Die alte Dame, die in der Dokumentation „Tanz der Schatten“ über ihre Arbeit spricht, wirkt streng und durchsetzungskräftig. Das musste sie auch sein. Lotte Reiniger war Pionierin des Animationsfilms – lange vor Walt Disney schuf sie mit Schere und Papier zeitlose Märchenwelten.

„La maîtresse des ombres“, „Freundin der Schatten“, heißt der Film, den ARTE am Sonntag zeigt, im Original. Das passt zur 1899 in Berlin geborenen und 1981 bei Tübingen verstorbenen Virtuosin des Scherenschnitts, die 44 Filme, dazu Scherenschnitte, Zeichnungen, Fotos und Schattenrisse berühmter Filmpersönlichkeiten hinterließ.

Ihr Meisterwerk „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ schrieb 1926 Filmgeschichte als der erste abendfüllende Trickfilm auf der Leinwand – er ist in allen Goethe-Instituten der Welt zu sehen und zählt zu den am häufigsten ausgeliehenen Stummfilmen.

Ihr erster Film hieß „Das Ornament des verliebten Herzens“ und stammt von 1919. Auf einem selbst gebauten Tisch fotografierte die 20-Jährige ihre Silhouetten und setzte sie in Bewegtbild um. 1965 drehte die damals 66-Jährige ihren letzten Film: „Aucassin et Nicolette“, ein Farb-Scherenschnitt nach dem Klassiker der altfranzösischen Literatur, 1225 von einem unbekannten Autor verfasst. Auch diesen Film fertigte die Berlinerin „mit romantischem Herzen und spitzer Schere“, wie es in der Doku heißt.

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„Tanz der Schatten“ nimmt die Aktualität des Werks Reinigers zum Anlass einer neuen Auseinandersetzung mit Scherenschnitt und Schattentheater. Immer wieder verweisen aktuelle Filme auf die Silhouetten-Filme Lotte Reinigers, wie zum Beispiel „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“, wo in einer Szene ein Märchen im Stil von Reinigers Scherenschnitt-Technik erzählt wird. Auch Marjane Satrapis ZeichentrickfilmPersepolis“ ist an Reiniger angelehnt.

Ihr reduzierter Stil ist gerade in einer Zeit der digitalen Bilderflut wieder aktuell. In der Doku kommt etwa der Filmemacher Michel Ocelot zu Wort, der in aktuellen Filmen auf Reinigers Technik zurückgreift, weil er die „schlichte Intensität“ des Scherenschnitts wieder finden wollte.

Jean Renoir

Die Dokumentation zeigt die wichtigsten Stationen im Leben der Lotte Reiniger, die schon mit 13 Jahren öffentlich Schattentheater spielte; ein Mädchen, das, wie Künstlerfreund Jean Renoir später sagte, mit „zaubernden Händen“ geboren wurde.

„Ihre Filme sind atemberaubend schön“, zitiert die Dokumentation den Filmwissenschaftler Robert Shandley, „man schaut sich die Filme an und denkt: Wow, hier steckt viel Arbeit drin.“ Besser kann man es nicht zusammenfassen.