Apotheken haben bald länger offen
KURIER: Der Apothekerverband drohte unlängst mit der Reduzierung von Apotheken-Nachtdiensten und handelte sich dafür einen Rüffel von der Wiener Apothekerkammer ein. Was genau ist nun Sache?
Ulrike Mursch-Edlmayr: Die Debatte ist unglücklich gelaufen. Es stimmt, dass sich die Ertragssituation der Apotheken verschlechtert hat und sie die Nachtdienste selbst finanzieren müssen. Das gibt es in keiner anderen Branche. In Deutschland wurde dafür ein eigener Fonds eingerichtet. Die Dinge ändern sich. Wir evaluieren gerade, wo es in Zukunft weniger Bereitschaftsdienste braucht und wo eventuell mehr.
Ein Aus von Nachtdiensten wird es vorläufig nicht geben?
Apotheken haben einen Versorgungsauftrag. Die Nachtdienste sind behördlich geregelt und können daher nicht so einfach geändert werden. Das Ganze ist ein Einzelthema aus einem ganzen Paket von Dingen, die wir ändern wollen.
Kunden fühlen sich an der Nachtdienst-Klappe der Apotheke oft als Bittsteller, müssen mitunter lange draußen in der Kälte warten. Warum dürfen Sie nicht hineingehen?
Aus Sicherheitsgründen. Es ist normalerweise nur ein diensthabender Apotheker da und die Besucher sind leider nicht immer nur hilfesuchende kranke Menschen. Wir haben schließlich auch Arzneimittel, die Gefahren in sich bergen.
Die Öffnungszeiten der Apotheken unterscheiden sich noch immer von jenen im Handel. Seit Jahren gibt es den Wunsch nach Ausweitung. Wann kommen die Änderungen?
Es geht uns nicht um ein generell längeres Offenhalten, sondern um mehr Flexibilität in den Randzeiten. So haben Ärzte zunehmend auch am Abend geöffnet und auch die neuen Versorgungszentren haben andere Öffnungszeiten. Hier müssen wir als Apotheke mitziehen. Kurzum: Die Öffnungszeiten müssen spezifisch nach den regionalen Erfordernissen angepasst werden. Die Vorschläge dazu liegen bereits im Ministerium, der erforderliche Gesetzesentwurf soll noch im Herbst in Begutachtung gehen, sodass es Anfang 2020 so weit sein kann.
Sind Medikamenten-Automaten ein Thema?
Nein. Arzneimittel brauchen Beratung.
Die Wettbewerbsbehörde BWB kritisierte im Vorjahr die Dominanz einiger weniger Pharma-Großhändler im Medikamentenvertrieb. Wie haben Sie auf die Kritik reagiert?
Der Großhandel ist ein wichtiger Partner für uns, zugleich ist der Apotheker ein freier Beruf mit bestimmtem Berufsethos. Wir wollen trotz Begehrlichkeiten globaler Handelsketten weiterhin unabhängige, inhabergeführte Apotheker bleiben und keine Infiltration großer Kapitalgesellschaften. Um die Entscheidungsfreiheit des Apothekers zu gewährleisten, wollen wir eine 51-Prozent-Eigentümerschaft festschreiben. Die Regelung dürfte auch vor dem EuGH halten. Wir sind hier noch sehr liberal, Deutschland hat ein absolutes Beteiligungsverbot für große Kapitalgesellschaften.
Soll es in Österreich nicht auch ein Beteiligungs-Verbot geben?
Ich bin keine Absolutistin. Mir ist ein gutes, ausgewogenes Verhältnis lieber.
Sie haben den niederländischen Versandhändler shop-apotheke wegen irreführender Werbung geklagt. Mittlerweile wurde der Werbeauftritt überarbeitet. Reicht Ihnen das?
Die Werbung impliziert, dass shop-apotheke eine österreichische Apotheke ist, was viele Kunden verunsichert hat. Sie haben das zwar geändert, aber nur ein Wort. Die Irreführung besteht nach wie vor. Wir haben die Klage zwar in erster Instanz verloren, aber Rekurs eingelegt.
Der Online-Wettbewerb wird stärker, davon profitieren aber nur ausländische Ketten. Die wenigen heimischen Online-Apotheken klagen über ungleichen Wettbewerb, weil sie sich an strengere, nationale Gesetze halten müssen. Was tut die Kammer?
Die Online-Apotheken müssen den österreichischen Anforderungen entsprechen. Auf dem globalen Online-Markt schaffen es nur einige wenige Großanbieter zu reüssieren. Selbst wenn wir die Regulierung lockern, würde das nichts an der Marktmacht der Großen ändern.
Von der BWB wurde auch der Gebietsschutz erneut kritisiert. Warum geht hier nichts weiter?
Die flächendeckende Bedarfsprüfung ist nichts Antiquiertes. Nur sie ermöglicht eine sinnvolle Zielsteuerung sowie die flächendeckende Versorgung mit Medikamenten. Was ist denn die Alternative? Wenn ich den Markt freigebe, dann ruiniere ich auch die Versorgungssicherheit am Land. Das ist dann nur ganz schwer wieder rückgängig zu machen. Andere Länder rudern bei der Liberalisierung längst wieder zurück. Das reine Marktprinzip kann ich in der Gesundheit nicht anwenden, weil es negative Auswirkungen für die Patienten und Gesellschaft hat. Und der Preisvorteil für Kunden ist nur kurzfristig, längerfristig bleiben ja nur wenige Anbieter übrig und der Wettbewerb ist dahin.
In letzter Zeit kommt es immer wieder zu Medikamenten-Engpässen auch in Österreich. Was können die Apotheken dagegen tun?
Gar nichts. Das ist ein globales Thema und wir sind das letzte Glied in dieser globalen Lieferkette. Wir tun alles, um die Versorgung irgendwie sicherzustellen. Wir fordern aber, dass in Zukunft wieder mehr Medikamente in Europa hergestellt werden und wir eine entsprechende Lagerhaltung haben. Erst kürzlich haben wir dazu eine Resolution verabschiedet. Es kann nicht sein, dass nur noch ein paar Hersteller in Asien übrig bleiben.
-----------------------------
Ulrike Mursch-Edlmayr (59) ist seit Juli 2017 Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer. Die selbstständige Apothekerin aus Neuzeug in Oberösterreich („Steyrtal-Apotheke“) ist die erste Frau an der Spitze der seit 70 Jahren bestehenden Berufsvertretung der 6000 angestellten und selbstständigen Apotheker/innen in Österreich. Diese arbeiten in rund 1400 Apotheken.
Jede zweite Apotheke in Österreich wird von einer Frau geführt, rund 87 Prozent aller Apothekenangestellten sind weiblich. Mursch-Edlmayr beschäftigt selbst 14 Mitarbeiter/innen.