AMS startet Jobvermittlung nach Vorbild von Tinder
Von Anita Staudacher
Wer viel von sich verrät, wird eher gefunden: Was für die Partnersuche bei Dating-Plattformen wie Tinder schon lange gilt, wird ab Jänner 2024 auch bei der Jobsuche Realität. Das AMS stellt seine völlig veraltete Stellenvermittlung mit zum Teil antiquierten Berufsbezeichnungen auf das so genannte „Kompetenzmatching“ um.
Das neue System, das bereits seit Jahresanfang im Testbetrieb läuft, wird ab Jänner 2024 österreichweit in allen AMS-Beratungsstellen umgesetzt. Groß angekündigt wurde das flächendeckende „Skill Matching“ nach dem Vorbild von Tinder schon 2016. Die Umsetzung dauerte wegen enormer technischer Probleme und Rechtsstreitereien viel länger als gedacht. Umgesetzt wurde es vom Bundesrechenzentrum.
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Größte AMS-Innovation der vergangenen 25 Jahre
Für AMS-Vorstand Johannes Kopf ist die Umstellung auf Kompetenzmatching "die mit Abstand größte Innovation des AMS in den vergangenen 25 Jahren". Das AMS begegne damit der zunehmenden Komplexität am Arbeitsmarkt, die ständige neue Berufsbilder hervorbringe und zunehmende Spezialisierung erfordert. "Es lassen sich unsere Berufe nicht mehr in diese 'Kasterln' fügen, die wir von früher kennen", so Kopf. Nachsatz. „Wenn man nicht weiß, was es ist, wird’s meistens Englisch“.
Wie heißt das jetzt?
Internationalisierung, Spezialisierung und Akademisierung am Arbeitsmarkt würden zu immer neuen Begrifflichkeiten führen, ergänzt AMS-Vorständin Petra Draxl. So heißt Haustechniker/in heute Facility Manager/in und ein Logistiker/in wird Global Forwarding Agent genannt. Auch die Lebensläufe würden sich ändern, viele arbeiten in ganz anderen Berufen, als sie erlernt haben oder waren auch einmal selbstständig.
So funktioniert's
In der neuen Datenbank sind 25.000 Kompetenzen hinterlegt, die 17.500 Berufsbezeichnungen ergänzen. Bewerber können zusätzliche Fähigkeiten angeben und Betriebe ihre benötigten Kompetenzen näher spezifizieren. Beispielsweise Installateur/in für PV-Anlagen, Fernwärme oder Klimageräte oder Maschinenbauingenieur/in mit Schwerpunkt Robotik. Die AMS-Berater erhalten beim Matching eine Liste von Stellen- bzw. Bewerbervorschlägen, die vom System gleich gereiht werden. Die Übereinstimmung wird dann in Prozent angegeben. Eine Karte zeigt an, wie weit der Job entfernt ist und wie lange die Hin- und Rückfahrt dauert. Mit dem umstrittenen AMS-Algorithmus, dessen Zulässigkeit wegen Datenschutzbedenken gerichtlich geprüft wird, hat das neue System übrigens nichts zu tun.
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„Soft Skills“ fehlen
Was im neuen System fehlt, ist die von vielen Betrieben gewünschte Angabe von „Soft Skills“ wie Einfühlungsvermögen, Eigeninitiative, Teamfähigkeit oder Flexibilität. Kompetenzen, die in der Arbeitswelt immer wichtiger werden, aber in der AMS-Berufslogik nicht vorkommen: „Da mussten wir feststellen, dass immer alle das Erwünschte angeben“, begründet Kopf das Weglassen. Arbeitsuchende können (zumindest vorerst) ihr Bewerberprofil auch nicht selbst anlegen, sondern müssen dafür zum AMS kommen, wo mit dem Berater gemeinsam die Kompetenzen eingetragen werden. Das dauert im Schnitt 30 Minuten.
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Arbeitsminister Martin Kocher erhofft sich vom Matching eine raschere und nachhaltigere Vermittlung. Vor allem Arbeitslose ohne formale Qualifikationen, etwa Migranten, sollen davon profitieren. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung begrüßen mit Verweis auf den Fachkräftemangel die Modernisierung der Jobvermittlung. Sie ermögliche auch dem AMS, Arbeitslose gezielter zu schulen, heißt es bei der WKO.
588.000 Personen fanden 2022 mit Hilfe des AMS einen neuen Job oder eine neue Lehrstelle. In Summe gab es mehr als 4 Millionen Vermittlungsvorschläge vom AMS, davon 252.000 an Lehrlinge
25.000 Kompetenzen und 17.500 Berufsbezeichnungen umfasst das neue Matching-System des AMS. Im Oktober wurden 45.000 Vermittlungsvorschläge verschickt
340.000 Personen sind aktuell beim AMS arbeitslos gemeldet, 75.000 davon in Schulung. Zugleich gibt es ca. 100.000 offene Stellen
Beispiele für erfolgreiche Vermittlung
Allein im Oktober 2023 wurden bereits 45.000 Vermittlungsvorschläge über Kompetenzmatching verschickt.
Zwei Beispiele aus der AMS-Beratung:
Ein Betrieb suchte eine_n Mitarbeiter_in mit abgeschlossener technischer Ausbildung (FH/Uni) im Bereich Maschinen-/Anlagenbau mit Berufserfahrung (als Konstrukteur_in, Berechnungsingenieur_in) und sehr guten CAD-Kenntnissen und Knowhow mit analytischen Berechnungsprogrammen. Eine Perspektive für eine leitende Funktion wurde in Aussicht gestellt. Die herkömmliche Suche brachte kein Ergebnis. Mit Kompetenzmatching konnte nach speziellen CAD-Kenntnissen gesucht werden. Dabei ergaben sich mehrere Treffer, darunter eine Person mit Übereinstimmung mit über 80%, die zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.
In Graz wurde ein_e Lektor_in gesucht. Mit Kompetenzmatching hat sich eine ehemalige Mitarbeiterin eines Reisebüros gemeldet, die Germanistik studiert hatte und in ihrem Job oft Texte lektoriert hat, qualifiziert und den Job erhalten.