AK-Marterbauer "unglaublich genervt" von Standortdebatte
Von Michael Bachner
Trotz der momentan eher ungünstigen Wirtschaftslage ist der Chefökonom der Arbeiterkammer, Markus Marterbauer, grundsätzlich optimistisch und hält sehr wenig von der Debatte über den Standort Österreich, der drohenden Abwanderung der Industrie und überhaupt vom Krankjammern des Landes. "Die Debatte über die De-Industrialisierung ist unglaublich nervig", so Marterbauer am Montag im Klub der Wirtschaftspublizisten.
Die Unternehmen würden weiterhin in Österreich investieren und produzieren. Auch wenn die Industrieproduktion im vergangenen Jahr um 10 Prozent gesunken sei, weil weltweit zu wenig investiert werde und so der heimische Maschinen- und Anlagenbau leide, sei Österreichs Industrie seit 2015 um 22 Prozent gestiegen. Im Gegensatz dazu sei die Industrieproduktion im Euro-Durchschnitt nur um 4 Prozent gestiegen und in Deutschland sogar um 7 Prozent gesunken.
Auch die aus seiner Sicht leidige Debatte um die Lohnnebenkostensenkung wäre dem Land erspart geblieben, so Marterbauer, wenn die Inflation nicht so hoch wäre. Schon seit 23 Monaten liege die Teuerung in Österreich über dem Durchschnitt der Euro-Zone und zwar im Durchschnitt um 1,7 Prozent pro Monat.
Eines der größten Probleme, der Fachkräftemangel, ließe sich durch das Heben des enormen Arbeitskräftepotenzials lösen, ist der frühere WIFO-Konjunkturverantwortliche überzeugt. Er zählt dazu beispielsweise Menschen im Niedriglohnsektor mit weniger als 2.000 Euro brutto im Monat. Diese Beschäftigten könnte man höher qualifizieren und auf besser bezahlte Jobs vermitteln, sieht der Experte AMS und Politik in der Pflicht.
Viele "Unterbeschäftigte"
Zu diesen rund 290.000 Menschen kämen 300.000 "Unterbeschäftigte", meist Frauen in Teilzeit, dazu, die lieber mehr arbeiten wollen oder 350.000 Menschen in der sogenannten stillen Reserve, die zwar nirgends registriert sind, aber grundsätzlich bereit wären zu arbeiten. Ganz zu schweigen von Älteren oder Zuwanderern, die man besser integrieren könnte. "Den Leuten wäre geholfen, der Volkswirtschaft wäre geholfen. Mit mehr Menschen in besseren Jobs wäre auch ein guter Teil des Budgetproblems gelöst, den 80 Prozent der Steuern hängen direkt und indirekt an den Löhnen", so Marterbauer.
Marterbauer erwartet, dass durch den demografiebedingten Arbeitskräftemangel ohnehin "bessere Jobs" entstehen würden. "Ich finde Arbeitskräfteknappheit super." Unternehmen müssten sich "an den Bedürfnissen der Mitarbeiter ausrichten, etwa bei der Arbeitszeit oder Bezahlung". Der aktuelle Fachkräftemangel sei aber nicht mit Anfang der 1970er-Jahre vergleichbar, so der Ökonom. Damals seien auf eine offene Stelle 0,4 Arbeitslose gekommen, heute seien es vier Personen.