Thema/WM2014

England: Das Fußball-Mutterland ohne Väter

Roy Hodgson hört sich nicht wirklich wie jemand an, der das berühmte Mutterland des Fußballs repräsentiert. Eher klingt der kauzige Engländer dieser Tage, als wäre er Teamchef in einem echten fußballerischen Niemandsland. Er hoffe, die englische Mannschaft werde ihr Land bei der WM in Brasilien nicht im Stich lassen, verkündete der Nationaltrainer anlässlich seiner Kaderbekanntgabe.

Zur Ehrenrettung von Roy Hodgson: seine defensive Grundeinstellung ist durchaus nicht unbegründet, denn allzu oft schon waren die Engländer den hohen Erwartungen im Land und ihrer Tradition nicht gerecht geworden. Die Three Lions waren in der Vergangenheit vor Turnieren ja meist nur als Mitfavorit gehandelt worden, weil ...

... die Engländer irgendwann vor Menschengedenken einmal einen WM-Titel gewonnen haben – nicht ganz unumstritten wohlgemerkt (Wembley-Tor, 1966);

... schon aus purem Respekt das Mutterland des Fußballs zum Kreis der Titelanwärter zu zählen hat;

... die Premier League immer noch die umsatzstärkste Fußballliga der Welt ist.

Ohne Erfahrung

Dass die Pole Position im Liga-Ranking für das Nationalteam keine Aussagekraft hat, wird auch am WM-Kader wieder deutlich. Weil bei den Topvereinen Legionäre die Schlüsselpositionen besetzen, sind die klingenden Namen, die nicht nur echten Fußball-Insidern ein Begriff sind, im Kader von Hodgson an einer Hand abzuzählen. Lediglich Stürmer Wayne Rooney (Manchester United) sowie die Mittelfeld-Routiniers Steven Gerrard (Liverpool) und Frank Lampard (Chelsea) genießen über die Insel hinaus Bekanntheit und Status. Der große Rest im WM-Aufgebot von Hogdson wird aus Spielern mit einem überschaubaren internationalen Erfahrungsschatz gebildet. 17 der 23 englischen Teamspieler kennen eine Fußball-Weltmeisterschaft bislang nur vom Hörensagen.

"Man sollte sich nicht zu sehr auf die fehlende Erfahrung konzentrieren", hält der Teamchef entgegen. "Jeder Spieler ist dabei, weil ich glaube, dass er schon jetzt gute Leistungen bringen kann." Für die Buchmacher spielen die Engländer bei dieser WM jedenfalls nur eine Nebenrolle. Wer 10 Euro auf den Turniersieg der Three Lions setzt, der erhält 340 Euro. Weil zuletzt auf der Insel immer häufiger Kritik an der Auswahl der Spieler laut geworden war, übt sich denn auch Roy Hodgson selbst in Optimismus. In reinem Zweckoptimismus. "Glaube ich, dass England die Weltmeisterschaft gewinnen kann? Ja."

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