Thema/suedosteuropa

Überleben in einem vergifteten Land

Auf der kroatischen Seite des Grenzüberganges Orašje in Nordost-Bosnien liegt ein Seuchenteppich. Denn von "Drüben" drohe Gefahr, meinen die kroatischen Zöllner.

"Drüben" dringt penetranter Geruch in die Nase. Im Umland der bosnischen Stadt Orašje stehen noch die Häuser von etwa 25.000 Menschen unter Wasser. Genauer gesagt: Sie stehen in einer Giftbrühe. Unzählige Tierkadaver verwesen in der Flut. Dazu kommen die Inhalte der Senkgruben und die ausgeschwemmte Öltanks. Jetzt scheint die Sonne drauf, und es entwickelt sich eine Giftküche mit Krankheitserregern aller Art. In den Abendstunden erheben sich Schwärme von Stechmücken und plagen Mensch und Tier.

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Die Menschen sind Selbstversorger. Jeder hat ein paar Tiere. Diejenigen, die sie retten konnten, liegen jetzt im Gelände provisorisch mit Zeltplanen geschützt. Doch woher das Wasser für die Kühe nehmen? Wenn jetzt auch noch ihre Tiere verenden, ist die Existenzgrundlage restlos zerstört.

Wo das Wasser schon zurück gegangen ist, beginnen die Heimkehrer damit, Gärten und Höfe mit ätzendem Kalk zu bestreuen. Wenigstens die unmittelbare Umgebung soll frei sein von Parasiten.

Im Dorf Tolisa konnte Marica Kobaś mit ihren fünf Kindern endlich wieder zu ihrem Haus zurück kehren. Sie hat vor sieben Jahren ihren Mann verloren und kein Einkommen – wie soviele in der Region. Mit Hilfe des Roten Kreuzes bringt sie ihre Kinder durch. Sie starren nun entsetzt in den überfluteten Innenhof. Das Haus ist wohl nicht zu retten. Der Familienhund Dolly ist auch noch drinnen. Doch nach nunmehr zwei Wochen ist das Maskottchen wohl tot.

Internet-Aktivist

Es stößt auch Marko "Rile" Benković dazu. Nach einem Herzinfarkt war er für das Sandsackschaufeln nicht geeignet. Deshalb richtete er unter seinem Namen einen Internet-Dienst ein. Seine selbst gestellte Aufgabe: Jeder Stunde ein neues Foto auf Facebook. "Die Welt soll sehen, was mit uns passiert." Seit Beginn der Katastrophe zieht er rast- und ruhelos seinen Internet-Dienst durch. Er gehört zu jenen vielen Aktivisten, die sich selbst in den Dienst der Allgemeinheit gestellt haben.

Rettung

Das mit Dolly lässt ihm keine Ruhe. Er watet hinein in die Ruine, und kommt mit einem struppigen Pelzbündel zurück. Nach zwei Wochen ist Dolly zwar ziemlich paralysiert, doch sie lebt. Die Wiedersehensfreude der Familie Kobaś mit dem Hund verdrängt kurzfristig alle Zukunftsängste.

In der Nähe sitzt Evica Orkic mit versteinerter Mine in einem Schlauchboot. Sie sieht nun erstmals ihr Haus wieder, wo die Flut noch bis auf die Höhe der Dachrinne steht. In dieser Senke fließt das Wasser nicht ab. Sie muss wohl warten, bis es verdunstet ist. Das kann Monate dauern. Auch ihre Zukunft ist ungewiss. Von den Behörden ist nicht viel zu sehen. Die Flutopfer sind auf internationale Hilfe und auf Eigeninitiative angewiesen. Viele Hilfsgüter kamen in Kleinbussen von der bosnischen Diaspora in Österreich und Deutschland.

Einer der privaten Helfer ist Davor Baotic. Er lebt seit 18 Jahren in Eben in Pongau, und hat natürlich auch für eine Hilfslieferung gespendet. In seiner Heimat Orašje hat er noch ein paar Baugrundstücke. Die will er nun jenen Angehörigen und Freunden schenken, die nicht mehr zurück in ihre alten Häuser können.

In Orašje hat das Bundesheer eine Trinkwasseraufbereitungsanlage in Betrieb genommen, mit der die gesamten Region versorgt werden kann. Der Niederösterreichische Landesfeuerwehrverband hat leistungsfähige Pumpen im Einsatz, und das Rote Kreuz führt flächendeckende Bedarfserhebungen durch. Dazu gibt es auch schon eine bosnische Facebook-Seite mit dem Titel: "Danke Österreich".

Bosnien: Das Ausmaß der Flutkatastrophe

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