Boris Johnson: Warum sein schlampiges Äußeres reines Kalkül ist
Von Maria Zelenko
Er sei ein "Clown", "Chaot" oder "Hanswurst" – seit seinem Debüt als Mitglied des britischen Parlaments im Jahr 2001 wurde Boris Johnson als vieles betitelt. Alles andere als schmeichelnde Worte, die der Politiker vor allem seinem äußeren Erscheinungsbild zu verdanken hat. Schlecht sitzende Anzüge, viel zu lange Krawatten, die schief sitzen, verkehrt herum angezogene Socken und Jogginghosen mit Hawaii-Print sind nur einige auf einer langen Liste von modischen Fehltritten. Ein Stück weiter oben sieht es auch nicht besser aus: Der 55-Jährige zeigt sich oft mit wild vom Kopf abstehenden Haaren.
Und dennoch hat es Boris Johnson nun in die 10 Downing Street geschafft. Oder vielleicht gerade deshalb? Stil- und Imageberaterin Martina Forthuber sieht in seinem Auftritt mehr Kalkül als Schusseligkeit. "Er möchte nahbar wirken", sagt die Expertin. "Dafür ist er bereit, sich zum Clown zu machen." Der frischgebackene Premierminister wolle dem britischen Volk damit vermitteln: Ich bin einer von euch.
Populismus-Masche
Mit seinem Look scheint Johnson in seiner Heimat jedenfalls einen Nerv zu treffen. Gilt doch in Großbritannien die englische Exzentrik als nationales Kulturgut. "Sie ist ein Vorrecht der oberen Schichten", erklärt Monika Seidl, Professorin für Cultural Studies am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Uni Wien. "Ein Kasperl kann leicht die Sympathien des Volkes gewinnen, und das macht ihn so gefährlich."
Ein Blick über den großen Teich zeigt, dass fehlendes Stilgespür nicht abschreckend auf Wähler wirken muss: Seine Krawatte befestigt Donald Trump mit Klebeband am Hemd, hinzu kommt ein sicheres Händchen für Selbstbräuner mit Orangestich. "Populisten wie Johnson und Trump wollen nicht perfekt sein. Denn dadurch bekommen sie die Aufmerksamkeit, die sie wollen", erklärt Imageexpertin Forthuber. "Sie wissen: Je perfekter sie sich zeigen, desto größer die Chance, dass sich das Volk nicht mit ihnen identifizieren kann." Mit einem in Hawaii-Hosen joggenden Politiker fühlt sich der Beobachter auf Augenhöhe.
Bewusst zerzaust
Boris Johnson sei laut Forthuber sehr darauf bedacht, das gegenteilige Bild seiner Vorgängerin Theresa May zu vermitteln. Letztere ließ sich 2016 für eine Home-Story in der Sunday Times in einer Lederhose für etwa 1100 Euro fotografieren. Boris Johnson, damals Außenminister, konnte sich einen hämischen Kommentar nicht verkneifen.
Der 55-Jährige präsentiert sich lieber als die "Antithese eines perfekt gestylten männlichen Pin-ups". So beschrieb ihn Sonia Purnell in der 2012 erschienenen Biografie "Just Boris: A Tale of Blonde Ambition". Die Britin arbeitete unter Johnson beim Daily Telegraph.
Wie berechnend er in Bezug auf sein Äußeres ist, erlebte sie hautnah. Kurz bevor Kameras auf ihn gerichtet wurden, zerzauste Boris Johnson stets noch schnell sein Haar. Seine Aussage bei der Vergabe des Brylcreem Best Celebrity Hairstyle 2008-Preises, dass der Schopf ein "Produkt zufälliger und konkurrierende Naturgewalten" sei? Eine blanke Lüge.