Reinhold Bilgeri über seinen neuen Roman: "Mit viel Zorn geschrieben"
Von Lisa Trompisch
Seit über 40 Jahren steht Reinhild Bilgeri (74) erfolgreich auf der Bühne, er schreibt aber auch Bestseller sowie Drehbücher und ist Filmemacher.
Die Kreativität hält den gebürtigen Vorarlberger jung, wie er in der KURIER TV-Sendung „Herrlich ehrlich – Menschen hautnah“, sagt.
Die ganze Sendung:
„Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich meine drei Berufe unter einem Dach ausüben und auch davon leben kann.“ Schon in seiner Teenagerzeit war er „angespitzt von den drei Genres“.
Die Musik, die Literatur und als er „Lawrence von Arabien“ im Kino gesehen hat, wusste er, dass er auch eines Tages Filme machen möchte.
Auch die Malerei würde ihn noch sehr reizen. „So in einem Maleratelier stehen, vor einer großen, weißen Leinwand und dann versuchen, mit dem Pinsel eine Geschichte zu erzählen. Das ist auch etwas, was mich interessiert.“
Für sein Glück müsse man sich sehr anstrengen, ist er überzeugt. Und genau das hat er immer getan. „Ich habe mich sehr viel angestrengt, aber ich bin auch in vielen Dingen eine Flasche, muss ich sagen“, meint er lachend.
Mathematik zum Beispiel würde ihm gar nicht liegen. „Und meine Frau (Anmerk.: mit Beatrix ist er seit 1989 verheiratet) schimpft oft mit mir, denn im Haushalt bin ich sehr ungeschickt und muss immer wieder nur die niedrigsten Dienste, und zwar zu Recht, auf mich nehmen.“
Familiengeschichte
Überhaupt nicht „ungeschickt“ ist der ehemalige AHS-Lehrer mit den Worten, die er gekonnt in seinen Romanen zu Papier bringt. Wie in seinem neuesten „Das Gewissen der Taube“, welcher am 7. November erscheint.
Zwei Jahre hat er dafür recherchiert. Die Handlung ist in der Nachkriegszeit angesiedelt und sehr von Bilgeris eigener Familiengeschichte inspiriert. „Man könnte fast sagen, es ist irgendwo auch ein Schlüsselroman und ich selbst stecke auch in einigen Figuren drin.“
Bilgeri ist in einem „Frauenhaushalt“ aufgewachsen, daher wollte er auch, dass seine Hauptfiguren Frauen sind.
Der Roman handelt von der jungen Gerda, die bei ihrer katholischen Mutter, einer Religionslehrerin in Wien aufwächst, sich in den mysteriösen Schweizer Piero verliebt, von ihm schwanger wird, aber statt einer Hochzeit, sucht auf einmal die Polizei nach ihm. Gerda begibt sich auf seine Spuren und entdeckt da auch die sogenannten „Rattenlinien“ (Anmerk.: Bezeichnung für das gesamte Nazi-Fluchtnetz nach Lateinamerika).
„Gerda spürt, dass diejenigen, von denen sie gedacht hat, sie könnten ihr Leben irgendwie führen, diejenigen, die ein moralischer Kompass sind, plötzlich involviert in verbrecherische Fluchtexzesse sind. Einerseits bricht vieles in ihr zusammen, andererseits aber liebt sie Piero. Und diese ganze Liebesgeschichte spielt sich ab vor dem historischen Hintergrund, der ein sehr mulmiges Gefühl erzeugt.“
Vater Rudolf
Die wahre Lebensgeschichte von Bilgeris Vater Rudolf, der als Deserteur zu den griechischen Partisanen übergelaufen ist, spiegelt sich in dem Roman ebenfalls wieder.
„Mein Vater hat in einem britischen Gefangenenlager in Ägypten Tagebuch geführt und ganz präzise aufgelistet, was er alles gesehen hat, was die Wehrmacht alles angerichtet hat in Griechenland damals und was die Nazis, die gefangen worden sind von den britischen Soldaten, auch in der Gefangenschaft noch immer weiterbetrieben haben. Alles, was in dem Buch zitiert ist, ist aus den Tagebüchern meines Papas. Das alles ist echt“, sagt Bilgeri.
Mit Zorn geschrieben
„So habe ich die authentischen Geschichten meiner Familie verwoben mit dieser Amour fou, mit dieser verrückten Liebesgeschichte. Und das Ganze eben gesetzt vor den historischen Hintergrund dieser Rattenlinien. Die Fluchtroute der Verbrecher, die trotzdem von der katholischen Kirche gerettet worden sind. Das hat mich mein Leben lang sozusagen aufgewühlt. Und darum habe ich diesen Roman auch mit viel Zorn geschrieben.“
Es ist eine Geschichte über Verantwortung, Integrität, Mut, aber auch Vergebung.
Die heutige politische Situation sieht Bilgeri als „irgendwo eine Folge dieses Schweigens und nicht Aufarbeitung der Nazizeit. In der heutigen Zeit gibt es inzwischen wieder wahnsinnig viele Leute, die auf das Führersystem bauen und glauben, durch Autokratie und weniger Demokratie könnte die Gesellschaft sich verbessern. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Und das wird in diesem Roman auch in der Figur der Gerda, dieser sich emanzipieren, starken, kämpferischen jungen Frau abgebildet. “
Warum er jeden Tag „den Tod bei mir“ hat, er Musik bis zum Umfallen machen will („Ich werde dauernd spielen, weil es ist ja Lebenselixier“) und mehr zum Roman sehen Sie im Video oben.