Weltmeisterliches Scheitern, oder: Die Größe des Johannes Strolz
Von Christoph Geiler
Gäbe es eine WM-Medaille für die aufrichtigsten Interviews, Johannes Strolz wäre wahrscheinlich einer der Favoriten auf Gold. Weil der Vorarlberger stets sagt, was er sich denkt und weil er immer auch zeigt, wie er sich fühlt.
Dass sich Strolz in allen alpinen Lebenslagen so entwaffnend ehrlich präsentiert, mag auch daran liegen, dass der 30-Jährige erst seit einem Jahr richtig im Rampenlicht steht und ihm deshalb die gängigen Floskeln und Stehsätze noch nicht so leicht über die Lippen kommen.
Selbstironie und Selbstkritik sind dem Doppelolympiasieger jedenfalls nicht fremd. Die Analyse seiner Super-G-Fahrt in der WM-Kombination hörte sich so an: „Beim Start rutsche ich schon mit dem Stock aus. Dann fliege ich über den Sprung wie eine gerupfte Henne. Und danach versemmle ich den Rest. Irgendwie passt das zu meiner Saison.“
Am Beispiel von Johannes Strolz zeigt sich gerade wieder einmal, wie eng Euphorie und Ernüchterung doch zusammenliegen. Am Freitag jährt sich sein Olympiasieg in der Kombination. Zwei weitere Medaillen bei den Winterspielen 2022 in Peking katapultierten Strolz in den Rang eines Ski-Helden und Publikumslieblings.
Ein Jahr später wirkt der Vorarlberger wie die Ratlosigkeit in Person. „Das Schwierige ist, dass du nicht weißt, was du noch alles tun sollst“, sagte Strolz nach der Enttäuschung in der Kombination, mit der für ihn die WM ein frühzeitiges Ende nimmt. Es ist für Strolz wohl kein Trost, dass es anderen Olympiasiegern ähnlich geht. Katharina Liensberger zählte noch vor einem Jahr zu den weltbesten Slalomläuferinnen und holte zwei Medaillen in Peking. Heute erweckt die Vorarlbergerin auf der Piste mitunter den Eindruck, als habe sie das Skifahren verlernt.
„Das spielt sich alles nur im Schädel ab. Jeder, der hier dabei ist, kann Skifahren“, sagte Manuel Feller zuletzt im Interview. Feller war es auch, der Strolz nach den vielen Ausfällen einen Rat mit auf den Weg gab. „Er hat gemeint, ich soll mich über den Jordan schießen“, erzählt Johannes Strolz. „Aber Alkohol ist auch keine Lösung.“