Sport/Wintersport/Ski-WM 2019

Marcel Hirscher spielt den Mister Mysteriös

Marcel Hirscher weiß schon jetzt, was demnächst wieder auf ihn zukommen wird. Dann, wenn dieser Weltcupwinter Schnee von gestern und er selbst voraussichtlich stolzer Besitzer einer weiteren Kristallkugel im Großformat sein wird. In diesen Momenten machen sich beim Superstar des Skisports dann gerne die Nachwirkungen eines Winters so richtig bemerkbar. „Ich bin nach jeder Saison so im Eimer“, gesteht der 29-jährige Salzburger, „nach der Saison kommt immer die Leere. Das ist eine logische Konsequenz der Fülle davor.“

Beim Österreichischen Skiverband fürchten sie sich seit einiger Zeit immer mehr vor dem Kehraus des Winters. Dabei umtreibt die Verantwortlichen die Sorge, dass die obligate Frühjahrsmüdigkeit des Seriensiegers möglicherweise über den Sommer nicht mehr verfliegen könnte. Nach dem letzten Winter, in dem Hirscher mit Olympiagold die letzte Trophäe gewinnen konnte, die ihm in seiner Sammlung noch gefehlt hatte, waren einige Funktionäre und Trainer sogar felsenfest davon überzeugt, dass der Salzburger die Karriere beenden würde.

Alle Inhalte anzeigen

Nachdenkpause

Das ist jetzt knapp ein Jahr später nicht viel anders, zumal Marcel Hirscher das Thema Rücktritt nach dem WM-Slalom in Åre auch befeuerte. „Wahrscheinlich werden das meine letzten Weltmeisterschaften gewesen sein“, deponierte der alte und neue Slalom-Champion und kündigte schon einmal für das Frühjahr eine persönliche Nachdenkpause an. „Dann werden die Dinge klarer sein als jetzt.“

Wobei die rein sportliche Sachlage ja ohnehin klar ist: Mit 29 fährt Marcel Hirscher gerade die erfolgreichste Saison seiner Karriere, zehn Siege und 484 Punkte Vorsprung im Gesamtweltcup sprechen für sich – und auch dafür, wie gut es dem Salzburger gelingt, seine neue Rolle als Jungvater mit seiner altbewährten Funktion als Skiheld der Nation zu vereinbaren.

Das sieht dann zum Beispiel so aus, dass Marcel Hirscher am Sonntag nach dem WM-Slalom im Privatjet aus Åre in Richtung Heimat abhebt, um nach 36 Stunden im Kreise seiner Familie wieder nach Stockholm zu düsen, weil dort am Dienstag der Weltcup mit einem Cityevent fortgesetzt wird.

Im Grunde müsste er ja gar nicht in der schwedischen Hauptstadt auftauchen. Niemand würde es ihm verübeln, wenn er den ungeliebten Parallelbewerb sausen lassen würde, jeder hätte dafür Verständnis, wenn er sich nach dem turbulenten Kurztrip nach Åre(fünf Tage, zwei Medaillen, eine Grippe) eine Pause gegönnt hätte.

Alle Inhalte anzeigen

Antrieb

Aber dafür ist einer wie Hirscher nicht zu haben. Und daran lässt sich schon erkennen, mit welchem Ehrgeiz der erfolgsverwöhnte Annaberger immer noch unterwegs ist, und wie sehr in ihm das Feuer brennt. Auf all die Nebengeräusche, die der Weltcup mit sich bringt, könnte er liebend gerne verzichten, das Herumreisen von Rennen zu Rennen, das Herumreden bei den Interviews. Aber die Emotionen, die er auf der Piste erlebt, mochte er bislang nicht missen. „Im Endeffekt treibt mich die Freude an, Rennen zu fahren und Wettkämpfe zu bestreiten“, sagte Hirscher letzten Sommer auf die Frage, warum er die Karriere fortsetzt. „Das Siegeserlebnis ist ein römischer Einser.“

Marcel Hirschers Karriere:

Alle Inhalte anzeigen

Mittelweg

Mag sein, dass seit Sonntag, seit seiner Galavorstellung im WM-Slalom in Åre, einige Rivalen mehr denn je darauf hoffen, dass Marcel Hirscher bald schon einen endgültigen Einkehrschwung einlegt. Andererseits kriegt er dank der Unterstützung seines Teams und des ÖSV sein Privatleben und die Skikarriere gerade besser unter einen Hut, als er ursprünglich gedacht hatte. „Mehr Lebensqualität und trotzdem den Sport nicht aufgeben – ich möchte versuchen, einen Mittelweg zu finden“, hatte Hirscher vor dieser Saison angekündigt.

Er hat für sich sogar den goldenen Mittelweg gefunden.