Sport/Wintersport

Schanze frei: Dürfen die Damen schon bald Skifliegen?

Als 2009 die Skispringerinnen in Liberec erstmals um WM-Medaillen springen durften, hätte kaum jemand für möglich gehalten, wie schnell die Frauen den Luftraum erobern. Die WM-Premiere war damals ein mittleres Fiasko, das sportliche Niveau sehr überschaubar. Viele machten sich lustig über die Adlerinnen und fühlten sich in den dummen Aussagen von FIS-Präsident Gian-Franco Kasper bestätigt, der tatsächlich gemeint hatte, dass die Wucht der Landung die Gebärmutter einer Springerin zerstören könne.


Ein Jahrzehnt später macht sich niemand mehr über das Damen-Skispringen lustig. Durften die Frauen in den Anfangsjahren nur auf Normalschanzen springen, so sind sie mittlerweile auf fast allen Bakken daheim. In der abgelaufenen Weltcupsaison fanden die meisten Bewerbe bereits auf Großschanzen statt.

Bei der WM 2021 in Oberstdorf werden nun erstmals auch auf der Großschanze Medaillen vergeben. Zusammen mit dem Mixed-Bewerb, dem Teamspringen und dem Wettkampf auf der Normalschanze gibt es somit bereits vier Medaillenchancen für die Springerinnen.

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"Jetzt fehlt eigentlich nur mehr das Skifliegen. Das wäre mein großer Traum", sagt Eva Pinkelnig. Die Vorarlbergerin hat den Weltcup als Gesamtdritte abgeschlossen und sie spricht aus, was viele Skispringerinnen wollen. Die Gleichberechtigung auf der Flugschanze.

Mittlerweile sind die Adlerinnen nur mehr einen Katzensprung von der historischen Premiere entfernt. Der norwegische Skiverband plant jedenfalls für den kommenden Winter das erste offizielle Damen-Skifliegen. Und es soll gleich auf der größten Flugschanze der Welt in Vikersund stattfinden, wo Stefan Kraft 2017 zum Weltrekord (253,5 Meter) geflogen ist.

Gegenwind

Während die Springerinnen diese Pläne begrüßen, reagieren die Verantwortlichen der FIS vorerst noch skeptisch. "Ich denke nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, über ein Skifliegen für die Damen zu diskutieren. Vom technischen Standpunkt gesehen gibt es kaum welche von ihnen, die die Schanze bewältigen können“, sagte der künftige FIS-Direktor Sandro Pertile gegenüber der norwegischen Zeitung VG.  „Ich denke, es braucht mehr Zeit. Man muss es Schritt für Schritt angehen. Es ist schon herausfordernd genug für viele von den Großschanzen zu springen“, so der Italiener, der gerade erst zum Renndirektor der Herren aufgestiegen ist.


Der norwegische Verbands-Sportchef Clas Brede Braathen kann dem nichts abgewinnen.  „Solche Aussagen sind absolut nicht zeitgemäß, diese Argumente können und dürfen nicht zählen“, sagt er auf www.skispringen.com. "Die Damen springen heute besser als die Herren in den 1990er Jahren." Weltcup-Gesamtsiegerin Maren Lundby meint: "Wenn wir bessere Skispringerinnen werden wollen, müssen wir auch auf den größten Schanzen der Welt springen."

Auch ÖSV-Cheftrainer Harald Rodlauer hat grundsätzlich wenig Bedenken. "Viele der Springerinnen haben sicher die technischen Voraussetzungen dafür. Wichtig wird aber sein, dass wir Schritt für Schritt vorgehen und keine Schnellschüsse machen." Über kurz oder lang, so Rodlauer, würde ohnehin kein Weg am Damen-Skifliegen vorbei führen.

Weltrekordhalterin Iraschko-Stolz

Es hat zwar noch nie einen offiziellen Wettkampf auf einer Skiflugschanze geben, einige Frauen haben sich in der Vergangenheit aber bereits über die großen Bakken gewagt. So flog die Tiroler Skisprung-Pionierin Eva Ganster seinerzeit 167 Meter. Daniela Iraschko-Stolz hält den Weltrekord, sie hat als einzige Frau die 200-Meter-Marke erreicht. 2003 flog sie am Kulm exakt 200 Meter.