Ryoyu Kobayashi: Der Schweiger hat auf der Schanze das Sagen
Von Christoph Geiler
Würde Ryoyu Kobayashi auch nur annähernd so skispringen wie er spricht, er hätte es wohl nie weit gebracht. Der japanische Weitenjäger ist ein Mann der kurzen Antworten und der leisen Sätze. Interviews scheint Kobayashi in etwa so gerne zu mögen wie ein Skispringer den Rückenwind.
Das wurde nach seinem Erfolg beim Auftaktspringen der Vierschanzentournee in Oberstdorf wieder deutlich. So sehr sich der redselige Dolmetscher im ORF-Siegerinterview auch bemühte, den 23-Jährigen in ein Gespräch zu verwickeln, mehr als ein „ich will gute Sprünge zeigen“ war Ryoyu Kobayashi nicht zu entlocken.
Sonst ist es ja häufig die Konkurrenz, der es beim 23-Jährigen aus Hachimantai die Sprache verschlägt. Seit dem vergangenen Winter hat Ryoyu Kobayashi im Skispringen die Lufthoheit, den Gegnern bleibt meist nur die Rolle der staunenden Flugbegleiter. Bei ihm sehe das Skispringen so spielerisch und selbstverständlich aus, erklären die Experten unisono. „Eigentlich macht er nichts Besonderes“, sagt ÖSV-Coach Andreas Felder, „er macht nur das richtig, was er richtig machen muss.“
"Da kann man nur den Hut ziehen"
Und das, was er richtig machen muss, das macht Kobayashi augenscheinlich richtig gut, wie die Daten aus seinem Flugschreiber beweisen: Von den 36 Weltcupspringen seit Beginn der Saison 2018/’19 hat der Japaner 16 gewonnen, 25 Mal landete er auf dem Siegespodest. Nur ein einziges Mal schaffte er es in diesem Zeitraum nicht in die Top Ten. In diesem Winter hält Kobayashi auch schon wieder bei drei Saisonsiegen und war noch nie schlechter als Sechster. „Da kann man nur den Hut ziehen“, meinte auch Stefan Kraft nach Kobayashis Erfolg in Oberstdorf, seinem fünften Tagessieg in Folge bei der Vierschanzentournee. „Seine Sprünge waren wie aus einem Guss.“
9,2 Punkte liegt Kobayashi bereits vor dem ersten Verfolger Karl Geiger (GER), Stefan Kraft liegt als Vierter 13,9 Zähler hinter dem Titelverteidiger. Dieser Rückstand sei sehr wohl wettzumachen, betont der Salzburger. „Wenn Kobayashi Fehler macht. Und die macht er hoffentlich.“
Ob sich Stefan Kraft da wohl nicht falsche Hoffnungen macht? Wenn Ryoyu Kobayashi zuletzt eines ausgezeichnet hat, dann ist es seine Konstanz. Der Japaner gibt sich keine Blöße. Nicht einmal beim Interview.