ÖSV-Star Kriechmayr gewinnt das Abfahrtsspektakel in Wengen
Von Christoph Geiler
Gäbe es die Lauberhornabfahrt noch nicht, dann müsste man sie erfinden. Allein schon wegen dieser traumhaften Bergkulisse mit Eiger, Mönch und Jungfrau; wegen der einzigartigen Streckenpassagen wie Hundsschopf, Brüggli-S oder dem engen Tunnel; und nicht zuletzt wegen der ausgelassenen Atmosphäre, die in Wengen auch in Corona-Zeiten herrscht.
Zehntausende Zuschauer verfolgten entlang der längsten Abfahrt im Ski-Weltcup (4.500 Meter) am Samstag das Spektakel. Die meisten von ihnen hofften auf einen Heimsieg durch Altstar Beat Feuz (34) oder den neuen Ski-Helden Marco Odermatt. Doch ein Österreicher machte den Schweizer Skifans einen Strich durch die Rechnung.
Vincent Kriechmayr vereitelte mit Startnummer 7 den nächsten Coup von Beat Feuz auf seiner Lieblingsstrecke. Mit drei Erfolgen am Lauberhorn führt der Schweizer gemeinsam mit Franz Klammer die Bestenliste an, den vierten Sieg verhinderte Kriechmayr, der im Ziel 34 Hundertstelsekunden vor dem Routinier lag.
Auf dem Weg zu seinem ersten Saisonsieg sorgte der Oberösterreicher für eine spektakuläre Aufholjagd. Bei der ersten Zwischenzeit hatte Kriechmayr noch eine halbe Sekunde Rückstand auf Feuz, doch je länger er unterwegs war, umso besser kam der Doppelweltmeister in Fahrt.
Für Vincent Kriechmayr war es bereits der zweite Triumph auf der längsten Abfahrt der Welt. Schon 2019 hatte der 30-Jährige in Wengen gewonnen, der Erfolg am Samstag war zugleich ein Jubiläum: Kriechmayr hält nun bei zehn Weltcupsiegen.
Kriechmayrs Sieg wird freilich für einige Nebengeräusche sorgen. Denn eigentlich hätte der Oberösterreicher in Wengen gar nicht am Start stehen dürfen. Nach seiner Covid-Infektion hatte er die beiden offiziellen Trainingsläufe verpasst, die Teilnahme an einem Training ist aber Voraussetzung für einen Start.
"Kindergarten"
Die FIS-Jury erteilte Kriechmayr eine Sondererlaubnis und ließ ihn am Freitag vor der ersten Abfahrt einmal aus dem Starttor fahren. Das genügte als "Training" und für einen Start in Wengen. Bei der Konkurrenz hatte die Sonderbehandlung von Kriechmayr für Irritationen, Aufregung und Kritik gesorgt. Der Schweizer Alpin-Direktor monierte, dass die FIS ihre eigenen Spielregeln ignoriert habe und sprach von einem "Kindergarten"
Vincent Kriechmayr ("es braucht mutige Entscheidungen") wird die Kritik egal sein. Der 30-Jährige hatte schon lange auf den ersten Saisonsieg hingearbeitet. Drei Mal war er in diesem Winter bereits auf dem Podest, zuletzt im Super-G von Bormio.
Als zweitbester Österreicher landete Matthias Mayer mit einer halben Sekunde Rückstand auf dem fünften Rang, Otmar Striedinger, Max Franz und Daniel Hemetsberger belegten die Plätze neun bis elf.