Sport/Wintersport

Nackte Tatsachen beim Schweizer Volksfest auf dem Lauberhorn

Außergewöhnliche Situationen verlangen Mut zu außergewöhnlichen Entscheidungen. So lässt sich – durch die rot-weiß-rot getönte Brille gesehen – das grüne Licht für einen außergewöhnlichen Athleten rechtfertigen.

Wie die Franzosen und der österreichische Trainer der Deutschen protestierte der Schweizer Ski-Präsident Urs Lehmann vergeblich gegen die von der FIS erteilte Starterlaubnis für Vincent Kriechmayr, der Quarantäne-bedingt das vorgeschriebene Abfahrtstraining versäumt hatte. Lehmanns Forderung nach „Rückkehr zur Normalität“ indes wird in Schweizer Weltcuporten kühn umgesetzt. Ungeachtet rekordverdächtiger Covid-Zahlen erfolgte im Sog der Begeisterung um Jungstar Marco Odermatt eine rekordverdächtige Völkerwanderung ans Lauberhorn.

Nicht allein Umweltschützer empfinden das autofreie Wengen als Paradies, wo nur Hotelboys mit Mini-Elektrowagerln durch den Ort tuckern, und von wo aus das Ziel nur zu Fuß erreichbar ist. Medizinern hingegen graut vorm Wildwechsel der Viren, wenn mangels Alternativen tausende Leut’ Leib an Leib in kleinen Waggons der Schmalspurbahn talwärts zu ihren Autos nach Lauterbrunnen fahren müssen.

Schon allein die Siegerehrung Freitagabend nach der ersten Abfahrt lockte 5.000, nicht nur nüchterne Fans an. Zu gleicher Zeit verhalf Rainer Schönfelder als ORF-Moderator und Glücksfee bei „Sechs aus 45“ einem Wiener zu 3,2 Millionen Euro. Auch Schönfelder verbinden mit Wengen ungewöhnliche Erinnerungen.

Mehr Euros als Franken

Vor 15 Jahren war Schönfelder gleich neben dem Hundschopf, eine Wette mit seinem Physiotherapeuten einlösend, splitternackt runtergewedelt. Nichts ahnend, dass ein Profi-Fotograf im Bilde sein würde. Prompt erschien das Foto vom ersten Weltcup-Flitzer selbst in außereuropäischen Medien, denen Schönfelders fünf Weltcupsiege nicht einmal eine Notiz wert gewesen waren. Dabei hatte der Kärntner vor 20 Jahren den Hahnenkamm-Slalom gewonnen und dafür schon damals 50.000 Euro Veranstalterprämie und damit um 6.800 Euros mehr bekommen als jetzt Kriechmayr als Lohn dafür, dass er auf der längsten Abfahrt den längsten Atem besaß.

Verglichen mit Kitzbühel haben die Wengener ein Stacheldraht im Tresor. Gibt’s doch für die ersten 30 zusammen nicht mehr Fränkli als in Kitzbühel an Euros allein für den Sieger. Nämlich 120.000. Obwohl wegen Corona an der Streif nur 1.000 Zuschauer erlaubt sind, halten die Kitzbühler am Versprechen fest, indem sie die bisher höchste Prämien ausbezahlen werden. Was ganz im Sinne des neuen FIS-Boss Johan Eliasch ist, sagt der doch: „Es kann nicht sein, dass Tennisspieler in einer Woche mehr verdienen als die besten Skifahrer im ganzen Jahr.“

Ein bissel allerdings kann/wird Eliasch selbst sein Börsel öffnen, ist doch der Schwede (nach seinem Wahlsieg über Lehmann) nicht nur neuer Präsident des Weltskiverbandes, sondern Eigentümer von Head. Und als solcher auch Ausrüster von Kriechmayr .