Sport/Wintersport

Kohl zu Doping-Razzia: "Gut, dass Hintermänner gefasst wurden"

Für Bernhard Kohl ist 2008 eine Welt zusammengebrochen. Der Radsportler wurde im Zuge einer Dopingkontrolle bei der Tour de France positiv auf das EPO-Dopingmittel CERA getestet. Der heute 37-Jährige musste eine zweijährige Sperre absitzen und kehrte nie wieder in den Profisport zurück. Der KURIER sprach mit Kohl, der mittlerweile als erfolgreicher Unternehmer arbeitet, über die jüngsten Ermittlungsergebnisse rund um die "Operation Aderlass" bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft in Seefeld in Tirol und über seine Erfahrung mit dem Thema Doping.

KURIER: Herr Kohl, was sagen Sie zu dem aufgedeckten Dopingfall der beiden ÖSV-Sportler Dominik Baldauf und Max Hauke in Seefeld?

Bernhard Kohl: Es ist natürlich bitter, dass so etwas in Österreich und dann noch dazu bei der Heim-WM passiert. Was allerdings positiv ist an dieser ganzen Geschichte, ist, dass nun auch endlich Hintermänner durch polizeiliche Ermittlungen aufgegriffen wurden. Und nicht nur positiv getestete Sportler. Denn wenn es keine Hintermänner gibt, dann gäbe es auch keine gedopten Sportler.

Sie selbst waren in einer ähnlichen Situation wie Baldauf und Hauke jetzt. Wie ergeht es einem Sportler, nachdem so etwas aufgedeckt wird?

Die Momente danach sind schrecklich. Von einer auf die andere Sekunde bricht eine ganze Welt zusammen. Das Leben wird nie wieder so sein, wie es vorher einmal war. Die Beiden leben für den Sport, weil ohne Passion kommt man im Spitzensport nicht so weit. Das ist so, als wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Bei mir war das damals auch nichts anderes.

Aber muss man nicht damit rechnen, erwischt zu werden?

Natürlich. Und diese Gefahr, dass man erwischt wird ist immer da. Aber man hofft, dass man irgendwie durchrutscht und es einen nicht erwischt.

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Der Sportmediziner, der nun in Deutschland verhaftet wurde und Teil der Hintermänner sein soll, war auch bereits in ihren Dopingfall verwickelt. Hätte man damals bereits wissen müssen, dass dieser Mediziner soetwas vielleicht wieder macht?

Er war damals Teamarzt beim Team Gerolsteiner. Ich habe im Zuge der Ermittlungen reinen Tisch gemacht und erklärt, wie das bei mir damals gelaufen ist. Aber man muss sich natürlich die Frage stellen, warum so etwas zehn Jahre später wieder passiert.

Der Name jenes Mediziners wird in der Sport-Szene kein Unbekannter sein. Können Sie sich erklären, warum dann dennoch Sportler seine Hilfe suchen?

Es wird irgendwo ein Kontakt hergestellt worden sein und als Sportler ist man froh, wenn man da einen Kontakt hat. Bisher ist er ja unbescholten. Als Sportler hat man es dann schwer, wenn man sich dazu entscheiden sollte, Doping anwenden zu wollen. Man stellt sich die Frage, auf wen man vertraut. Aber Sicherheit gibt es nie.

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Den beiden Sportlern drohen drei Jahre Haft aufgrund von Sportbetruges. Denken Sie, dass die Strafen für Dopingvergehen verschärft werden sollten?

Ich glaube die Strafen, die es gibt, sind groß genug. Bei mir gab es damals das mit dem Sportbetrug noch gar nicht, jetzt gibt es diesen Tatbestand. Dementsprechend gibt es eine Abschreckung mehr. Das Problem sind ganz einfach die Hintermänner, die ganz selten erwischt werden. Der Sportler wird erwischt und ist weg. Aber bei den Drahtziehern dahinter muss man ansetzen.

Der österreichische Anti-Doping-Experte Wilhelm Lilge hält es für unglaubwürdig, dass das enge Betreuungsumfeld von Eigenblut-Doping betreibenden Athleten nichts von den Manipulationen mitbekommt. Halten Sie diese Einschätzung für richtig?

Nein, für mich ist es plausibel, dass man als Trainer oder Betreuer nichts von Doping-Aktionen mitbekommt. Man kann den Sportler nicht 24 Stunden am Tag überwachen. Je weniger Leute davon wissen, desto besser. Denn dadurch ist die Gefahr geringer, dass man auffliegt. Mit seinen Hintermännern bespricht man sich natürlich, aber das Betreuerteam bekommt das nicht mit. Bei mir wurde damals vielleicht auch nicht genau genug hingeschaut. Aber dass sie in der sportlichen Leitung davon etwas gewusst haben, halte ich für unwahrscheinlich.

Glauben Sie, dass man Doping jemals komplett aus dem Spitzensport verbannen wird können?

Das ist ganz schwer. Weil wo Menschen sind, da ist Erfolgsdruck da. Wir sind in einer Leistungsgesellschaft und nach seiner Leistung wird man gemessen. Der Druck ist da und wenn die Erfolge ausbleiben und man den Traum vom Spitzensport nicht aufgeben will, dann wird man wahrscheinlich nicht nein sagen, sofern man Doping angeboten bekommt. Außerdem ist die Medizin immer einen Schritt voraus. Und solange es Produkte gibt, die noch nicht nachweisbar sind, werden sie auch für Doping missbraucht. Bei mir war es damals genauso. Ich hatte 200 Kontrollen und bei mindestens 100 davon hätte man mich eigentlich positiv testen müssen. Passiert ist es aber nur ein einziges Mal.

Glauben Sie, dass den beiden ÖSV-Athleten klar war, was sie dem Sport antun, falls sie beim Doping erwischt werden?

Nein. Das sind alle Einzelsportler und die denken dann nicht daran, was das für einen Verband oder den Sport bedeutet. Oder natürlich welches schlechte Licht das auf die Heim-WM wirft. Aber das kann man ihnen auch nicht vorwerfen. Die sind damit beschäftigt, wie sie trainieren, regenerieren und wie sie sich ernähren. Die Leistung setzt sich aus 100 Bausteinen zusammen. Das Doping alleine reicht ja nicht aus. Das Bewusstsein, dass das für den gesamten Sport eine Katastrophe ist, fehlte ihnen.