Sport/Wintersport

Die Streif in Corona-Zeiten: "Es ist zum Genießen"

Als Matthias Mayer nach dem ersten Training auf der Streif den Zielraum verließ und in Richtung Hotel stapfte, wirkte der Vorjahressieger beinahe ein wenig verloren. Wo sich die  Abfahrtsstars  für gewöhnlich durch ein Spalier von Skifans drängen müssen und für wenige Meter oft deutlich länger brauchen als für ihre Fahrt über die Streif, war Mayer nun mutterseelenallein und hatte seinen seligen Frieden vor Autogrammjägern und Selfie-Sammlern.

„Normalerweise wartet da eine Menschenschlange. Ich sag’s ehrlich: Es ist angenehm so. Es ist zum Genießen.“

Panorama ohne Remmidemmi

Tatsächlich scheint es den Protagonisten nicht allzu viel auszumachen, dass sie heuer ihre rasanten Streifzüge unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne das übliche Remmidemmi machen müssen. So bleibt mehr Aufmerksamkeit für den Sport und mehr Zeit, die Naturkulisse zu genießen. Vor allem im Ziel bietet sich den Läufern nun ein  wunderbares Panorama, da das Kitzbüheler Horn und der Wilde Kaiser ausnahmsweise nicht durch eine Stahlrohrtribüne verdeckt sind. „Die Aussicht ist heuer eine andere“, sagt Max Franz.

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Diese neue Perspektive sorgte bei manchen langgedienten Läufern freilich auch für Irritationen und fragende Blicke. „Es ist alles sehr komisch, ich habe mich gar nicht mehr  richtig orientieren können“, gesteht Vincent Kriechmayr, der nicht als Einziger nach dem Abschwingen rätselte: „Ist das Ziel normalerweise nicht weiter unten?“ Vincent Kriechmayr kann beruhigt sein: Die Streif ist in  diesem Corona-Winter nicht kürzer geworden, und die berühmteste Abfahrt der Welt  hat auch nichts von ihrer Attraktivität  eingebüßt, auch wenn  der kleine Zielraum im ersten Moment eher an ein  Bezirkscuprennen erinnert – und nicht an das bedeutendste Event im Skiweltcup.

Leise Töne

Dort werden diesmal ganz bewusst leisere Töne angeschlagen. Chilliger Sound in dezenter Lautstärke ersetzt jetzt die dröhnenden Partyhits und nervtötenden Après-Ski-Gassenhauer. Der Kitzbüheler Ski Club hat auch den aufgedrehten Stadionmoderatoren das Mikrofon abgedreht und lässt stattdessen einen ruhigen Mann zu Wort kommen, der sich  damit begnügt, die Zeiten und Platzierungen der Läufer durchzusagen.

So durfte er im Stile eines Nachrichtensprechers verkünden, dass der Amerikaner Ryan Cochran-Siegle im ersten Trainingslauf der Schnellste war und Routinier Hannes Reichelt als Dritter aufzeigte.

Es passte gut ins allgemeine Stimmungsbild, dass sich auch die Streif in diesem Winter handzahm präsentiert. „Ich hatte hier herunter schon schlimmere erste Trainingsfahrten“, sagte Vorjahressieger Matthias Mayer, der auf Rang 25 landete. Sein Teamkollege Vincent Kriechmayr (32.) ging  noch einen Schritt weiter: „Es kommt selten vor, dass ich in Kitzbühel einmal ins Ziel komme und dann sagen kann: ,Es war angenehm da runter.‘“

Fehlte nur noch, dass jemand die Streif als Märchenwiese abgetan hätte.

1. Ryan Cochran-Siegle (USA) 1:56,89 Min.
2. Travis Ganong (USA) +0,35 Sek.
3. Hannes Reichelt (AUT) +0,48
4. Beat Feuz (SUI) +0,55'
5. Jared Goldberg (USA) +0,57

Weiters: 10. Christopher Neumayer +0,80, 15. Daniel Danklmaier +1,14, 25. Matthias Mayer +1,85, 28. Max Franz +1,89, 29. Otmar Striedinger +1,96, 32. Vincent Kriechmayr +2,01, 35. Stefan Babinsky +2,14, 36. Daniel Hemetsberger +2,35, 38. Christian Walder (alle AUT) 2,40.