Sport

Wechselbad der Gefühle bei der Rad-WM

Bei den Gemüsebauern aus Thaur ist die Rad-WM tief verwurzelt. Gleich ein ganzes Feld haben sie in der Nachbargemeinde von Innsbruck zur Spielwiese umfunktioniert, um ihrer Rad-Begeisterung bildlich Ausdruck zu verleihen. Aus 60.000 Salatköpfen der Sorten Lolo rosso und Häuptelsalat entstand ein gigantisches Gemüse-Gemälde, Welcome steht in riesigen roten Lettern neben der Silhouette eines Radfahrers.

Aber längst nicht alle im Land fahren so auf die Rad-Weltmeisterschaft ab wie die Thaurer Bauern. Angesichts des größten Sommer-Sportspektakels, das Tirol bisher erlebt hat, scheint bei vielen noch immer die Meinung vorzuherrschen: Jetzt haben wir den Salat!

Sportland

Dass diese WM, die am Samstag mit einer großen Radparade durch Innsbruck offiziell eröffnet wurde, die Tiroler bewegt, in welcher Form auch immer, wird vielerorts ersichtlich. Da gibt es die Geschäftsleute in der Innsbrucker Altstadt, die schon seit Wochen ihre Auslagen mit Rennrädern dekoriert haben. Da sind engagierte Männer wie Thomas Pupp, der eigens für die WM ein 222-seitiges Nachschlagwerk über den Radsport in Tirol („Ride with passion“) publiziert hat. Da sind Bauern aus dem Unterinntal, die ihren Kühen Radtrikots schneidern haben lassen und auch sonst kräftig für die WM kurbeln.

Und dann es gibt es zugleich nicht wenige Innsbrucker und Tiroler, die sich die Frage stellen: Wozu das Ganze? Worin liegt der Nutzen? Was haben wir davon?

Alle Inhalte anzeigen

„Diese Fragen waren immer wieder zu hören“, berichtet Georg Spazier, der Geschäftsführer der WM-Veranstaltungsgesellschaft. Diese große Grundskepsis mag auf den ersten Blick durchaus erstaunen in einem Land, das sich selbst so gerne als Sportland sieht und gefühlt pausenlos Schauplatz von Großveranstaltungen ist. Bob, Rodeln, Biathlon, Klettern, Rad, Ski Nordisch – im Zeitraum von gerade einmal drei Jahren (2016 bis 2019) fanden und finden in diesen Sportarten die Weltmeisterschaften in Tirol statt.

Überragend?

Übertrieben?

Peter Schröcksnadel etwa sieht im sportlichen Überangebot auch einen Mitgrund für die mangelnde Begeisterung für Großevents. Nicht zuletzt auch für das deutliche Nein der Innsbrucker bei der Olympia-Abstimmung vor einem Jahr. „Eigentlich sind alle Leute satt bei uns. Die sagen: ,Was brauch’ ich das, wir haben ja eh alles.‘ Es geht den Leuten zu gut“, meint der ÖSV-Präsident

Strahlkraft

Dem gegenüber stehen die Tiroler Touristiker, die sich von der Rad-WM langfristige Impulse erwarten. „Es hat sehr viel Aufklärungsarbeit benötigt, um den Menschen verständlich zu machen, welche Strahlkraft von dieser Veranstaltung ausgeht“, sagt WM-Geschäftsführer Spazier. Er verweist auf 250 Millionen TV-Zuseher, auf unbezahlbare Werbung auf allen Kontinenten, auf die große Nachhaltigkeit der WM. Doch mit positiven Auswirkungen für die Zukunft ist nun einmal nur schwer zu punkten, wenn sich die Menschen gerade über massive Verkehrsbehinderungen und persönliche Einschränkungen ärgern.

Das OK sah sich im Vorfeld ständig mit Fragen zur Verkehrsbelastung und der Finanzierung der WM konfrontiert. Nachdem die Stadt gerade mit der Aufarbeitung zweier Großprojekte (Haus der Musik, neue Patscherkofelbahn) beschäftigt ist, die deutlich mehr kosten als veranschlagt, sind gerade die Innsbrucker bei der Rad-WM besonders hellhörig. Zumal die öffentliche Hand vor der WM schon finanziell in die Bresche springen musste.

Startklar

„Es ist gut, dass sich jetzt endlich alles um den Sport und um die Athleten dreht“, sagt WM-Geschäftsführer Georg Spazier. Mit den Teamzeitfahren von der Area 47 im Ötztal nach Innsbruck nimmt die WM ab Sonntag so richtig Fahrt auf. „Und dann werden auch die Tiroler richtig mitgehen“, hofft Spazier.

Programm: 

Sonntag: Mannschaftszeitfahren, ÖtztalInnsbruck: Damen (54,5 Kilometer, Start: 10 Uhr),  Herren (62,8 Kilometer, 14.40 Uhr)

Österreicher im Einsatz: Felix Großschartner, Patrick Konrad, Gregor Mühlberger und Lukas Pöstlberger (Team Bora-hansgrohe), Matthias Brändle, Michael Gogl (Trek-Segafredo)

Teams: Felbermayr-Simplon Wels, Vorarlberg-Santic, Tirol Cycling Team, WSA Pushbikers, Hrinkow Advarics Cycleaning

Montag: Einzelzeitfahren, WattensInnsbruck:  Juniorinnen (10),  Herren U 23 (14.30)

Dienstag:  Einzelzeitfahren, WattensInnsbruck:  Junioren (10), Damen-Elite  (14.30)

Mittwoch: Einzelzeitfahren, RattenbergInnsbruck, Herren-Elite (14 Uhr)

Donnerstag: Straßenrennen, RattenbergInnsbruck, Juniorinnen (9 Uhr), Junioren(14.30)

Freitag: Straßenrennen, KufsteinInnsbruck: Herren U 23 (12)

Samstag: Straßenrennen, KufsteinInnsbruck: Damen-Elite (12)

Sonntag:  Straßenrennen, KufsteinInnsbruck:  Herren-Elite  (9.30)