Tour de France: Sturzorgie auf dem Kopfsteinpflaster
Von Christoph Geiler
Hölle des Nordens wird Paris – Roubaix gerne auch genannt. Weil der Radklassiker mit den zahlreichen Kopfsteinpflasterpassagen eine gar so teuflische Herausforderung für Mensch und Maschine ist. Nicht umsonst zählt Paris – Roubaix zu den „Fünf Monumenten“, wie die berühmtesten Eintagesrennen der Welt im Fachjargon heißen.
Dass es die Radprofis im Rahmen der heurigen Tour de France auch auf einige der berüchtigtsten Kopfsteinpflasterabschnitte von Paris – Roubaix verschlägt, sorgte im Vorfeld im Fahrerfeld für Irritationen, Unverständnis und jede Menge Ärger.
„Das macht es für uns supergefährlich“, monierte etwa der Deutsche Simon Geschke und sprach das aus, was sich viele seiner Kollegen dachten, als der Etappenplan für die Frankreich-Rundfahrt präsentiert wurde.
Was, zum Teufel, haben wir in der Hölle des Nordens verloren? Ist es wirklich notwendig, ein weiteres Hindernis einzubauen? Ist die Tour de France nicht an sich schon Herausforderung und Spektakel genug?
Die Aufregung und Angst vor dieser fünften Etappe von Lille nach Arenberg war den Protagonisten jedenfalls von Beginn an anzumerken. Die Aussicht auf 19,4 Kilometer Kopfsteinpflaster, Stürze, Defekte und richtungsweisende Entscheidungen im Kampf um den Gesamtsieg sorgten für enorme Unruhe und Hektik im Teilnehmerfeld.
Sturzorgie
Selbst der Mann im Gelben Trikot lag dann plötzlich auf der Straße. Der Belgier Wout van Aert, als mehrfacher Cross-Weltmeister einer der größten Akrobaten auf dem Fahrrad, kam 100 Kilometer vor dem Ziel zu Fall. Es war der Beginn einer wahren Sturzorgie, die so manchen Mitfavoriten auf den Gesamtsieg schon früh aus dem Spitzenklassement purzeln ließ.
Primož Roglič kann sich das Gelbe Trikot jedenfalls schon wieder abschminken. Nach einem Sturz über einen Strohballen riss der Slowene einen Riesenrückstand auf und ist praktisch aus dem Rennen.
Dafür brachte sich Landsmann und Titelverteidiger Tadej Pogačar in Position. Dem 23-jährigen Slowenen gelang es nicht nur, sich aus allen Turbulenzen und Problemen herauszuhalten. Pogačar distanzierte mit dem siebenten Rang auf dieser Etappe auch die Mitstreiter im Kampf um den Gesamtsieg.
Der Etappensieg ging an den Australier Simon Clarke, der sich im Sprint einer Ausreißergruppe durchsetzte. Wout van Aert bleibt im Gelben Trikot, Favorit Pogačar ist ihm als Vierter aber dicht auf den Fersen.
5. Etappe (Lille–Wallers-Arenberg, 157 km): 1. Clarke (AUS) Israel-Premier Tech 3:13:35, 2. Van der Hoorn (NED) Intermarché-Wanty Gobert gl. Zeit, 3. Boasson Hagen (NOR) Total +2, 4. Powless (USA) EF-Easy Post +4, 7. Pogacar (SLO) Emirates +51, 15. Konrad (AUT) Bora-hansgrohe +1:04, 16. Van Aert (BEL) gl. Zt, 61. Rodlic (SLO) beide Jumbo-Visma +2:59, 95. Haller (AUT) +4:12, 96. Großschartner (AUT) beide Bora-hansgrohe gl. Zeit, 110. Schönberger(AUT) B&B-KTM +6:05, 122. Mühlberger (AUT) Movistar +9:24. Aufgegeben: Gogl (AUT) Alpecin-Deceuninck.
Gesamt: 1. Van Aert 16:17:22, 2. Powless +13, 3. Boasson Hagen +14, 4. Pogacar +6, 15. Konrad +1:04, 44. Roglic +2:36, 69. Großschartner +4:37, 96. Schönberger +7:37, 104. Haller +10:21, 126. Mühlberger +13:11.
Donnerstag: Binche–Longwy (219,9 km).